Verona - Tarvisio 484 km - 3400 HM
Mein Plan:
Durchfahren, durch die erste Nacht, und wenn es gut läuft nach 24 h, also noch im Hellen, in den letzten steilen Anstieg des Tages hineinfahren, um dann gegen 23 Uhr in Tarvisio anzukommen und dort zu schlafen.
Bei Quäldich hatte ich gelesen, dass die "Windische Höhe" einige steile, über 24 und 18%ige Abfahrten hat. Ich hatte Respekt davor, diese im Dunkeln und übermüdet hinunter zu fahren.
Aus der Stadt hinaus über historisches Pflaster und über eine mittelalterliche Brücke, die wohl zur Stadtmauer gehört, zieht sich das Feld lang hin. Einige Passanten klatschten oder riefen etwas aufmunterndes zu: "Forza, Forza!"
Kaum waren wir auf breiteren Straßen, die aus der Stadt führten, unterwegs, zog das Tempo ungemütlich hoch. Mit deutlich über 30 km/h versuchten wir der Gruppe zu folgen. Eine erstere Gruppe war wegen einer roten Ampel voraus und diese musste anscheinend eingeholt werden. Dabei wurden Löcher im Asphalt nicht immer angezeigt. Als es dann entlang eines Kanals (Canale Biffis) auf Radwegen mit Pollern in dem gleichen Tempo weitergeht, wurde mir die Gruppe zu unruhig; Abbremsen, Antreten, Loch zu fahren und das alle 500 m. Irgendwo hatte es dann zwei Fahrer erwischt- sie standen mit defektem Rad am Radwegrand. Es dauerte nicht lange bis Klaus und ich uns entschieden alleine hinterher zu fahren. Wir waren dann schnell auch die letzten im Fahrerfeld. Klar, wäre es schön für den Anfang eine Gruppe zu haben- aber nicht um jeden Preis.
Es wurde ruhig und langsam senkte sich die Sonne, als wir in Richtung Gardasee fuhren. An der ersten Kontrollstelle in Garda hielten wir uns nicht auf und schon waren wir nicht mehr ganz hinten im Feld. Aber auch eine Gruppe fanden wir nicht, als wir jetzt im Dunklen entlang des Sees gen Norden fuhren. Hier, wo sich tagsüber Auto an Auto reiht, war es jetzt komplett verkehrsarm und wir kamen zügig voran.
"Wenn wir Glück haben, stützt uns der Ora-Wind (Nachmittag, aus dem Süden) auf die Schultern und macht unseren Gang fröhlicher. Wenn hingegen der nördliche Peler weht, ist es besser, einen Radpartner zu finden, mit dem man sich abwechseln kann."
So steht es in der netten Streckenbeschreibung. Wir hatten relative Windstille, die wohl zeitlich zwischen den beiden Süd- und Nordwinden liegt.
Mit Klaus hatte ich einen guten Radpartner, mit dem ich durch die Nacht fahren wollte. Der Plan war auch, dass wir diesen Brevet zusammen bleiben, entgegen meiner sonstigen Fahrweise.
Am Ende des Sees, die erste steile Rampe des Tages. Nachdem es am See recht zügig lief, klebten wir jetzt in dieser Wand, die es zu überwinden galt, um bei Rovereto ins Val d'Adige zu gelangen. Ein erster Test für meine Übersetzung; 33/29 musste dieses Mal reichen- ich hatte keine Lust im Vorfelde noch ein neues größeres Ritzel zu kaufen. Ich fahre ja nun an meinem Ridley Helium neue Shimano 11- fach Hebel, da ich ja nach der Mille Miglia im letzten Jahr Probleme mit meinem Ulnaris- Nerv bekommen hatte, die ich auf die Sram- Hebel zurückführte. Erst kurz vor Weihnachten ließen diese nach. Nach Trans Alp Rando spüre ich nichts davon.
Es muss um Mitternacht sein, als wir beschließen noch einen letzten starken Kaffee zu trinken, bevor die Bars schließen würden. Wir fanden eine- hier bereitete man sich gerade auf den Feierabend vor. Bei Heavy Metall- Musik wurde gefegt und wir mischten uns unter die jugendlichen Feiernden und tranken unseren Dopio- Americano. Von nun an ging es nur noch auf einem Radweg entlang der Adige zunächst bis zum Bicigrill Faedo (K2). Hier machten wir eine etwas längere Pause- ein warmes Panini und wachhaltende Getränke. Doch nicht zu lange, denn sonst würden mir um diese Zeit die Augen zufallen. Weiter auf dem Radweg entlang der Adige, es war so zwischen 3 und 4 Uhr, hatte ich einen kleinen Hänger- die Augen blieben aber offen und ich dachte nicht einmal daran, mich hinlegen zu müssen. Den Radweg nahm ich manchmal im Cross- Modus, besonders, wenn es darum ging, dass wir andere Fahrer ein- und überholen konnten. 90°- Kurven und Radweg- Geschlängel- das Crossfahren gab mir jedes Mal einen Kick und hielt mich für den Moment wach.
Nach 4 Uhr gab es das erste Licht und die Berge formten sich als Silhouette aus dem Dunkel. Mein vegetatives Nervensystem, jetzt der N. Sympaticus meldet sich alsbald und löst den Parasympaticus in seiner Arbeit ab.
https://de.wikipedia.org/wiki/Vegetatives_Nervensystem
Arbeitsteilung
Die sympathischen und die parasympathischen Anteile arbeiten in gegenseitiger Ergänzung .... Über den Sympathikus werden hauptsächlich leistungsfördernde und über den Parasympathikus hauptsächlich erholungsfördernde Signale gegeben.
Hurrah!! Ich habe es geschafft. Was ich sonst eher selten schaffe- die Nacht durchzufahren.
Ich war jetzt wach und eine gewisse Euphorie kam auf.
Ab Bozen verließen wir das Val d'Adige und fuhren in das Valle dell’Isarco, das Eißacktal Richtung Brenner größtenteils auf Radwegen. K3 war bei einem Fahrradgeschäft in Chiua/Klausen- Nudeln zum Frühstück um 6, war nicht das, was ich mir vorgestellt hatte- eher Brötchen mit Käse, oder so, und auch der Kaffee war nicht italienisch. Eine Bar oder Bäckerei war nicht in Sicht.
Später, bei Brixen, fuhren wir dann ins schöne Pustertal; auch hier wieder Radwege!
"Wir haben das Eisacktal verlassen, um ins Pustertal zu gelangen, das
wir auf dem schönen Radweg bis zu seinem Ende durchfahren."
heißt es in der Streckenbeschreibung, die auf der sehr informativen und umfangreichen HP des Veranstalters zu Lesen gibt.
Schön war die Landschaft, ohne Frage, aber die Radwege waren es nicht.
Bis Villabassa/ Niederdorf fahren wir auf Radwegen. Auch auf Schotter- und Waldwegen.
Das ist nicht nur mental anstrengend. Das unrythmische Fahren, der teilweise schlechte Belag kostet auch Kraft. Auch wird es jetzt schnell sehr warm.
In irgendeinem kleinen Ort, gar nicht mehr sehr weit von Villabassa, halten wir an einem Gasthof und trinken (alkfreies) Weizenbier. dazu spannen wir mit Hilfe der Wirtin den Sonnenschirm auf. Dies ist eine sehr erfrischende, erholsame Pause.
Wir lassen uns Zeit. So, auch mental regeneriert, nehmen wir die letzten Radweg- Kilometer bis zur 4. Kontrollstelle in Angriff.
Villabassa ist für mich so eine Art Zwischenziel. Hier gibt es den ersten Bagdrop, also frische Kleidung, Essen, evtl eine Dusche. Es ist inzwischen richtig heiß.
Fast planmäßig sind wir gegen Mittag hier.
Das Essen war sehr lecker- die Leute sehr nett.
Aber auch hier verbleiben wir nicht lange. Spontan erkläre ich nun Klaus, dass ich von Nun an keinen Radweg mehr fahre. Es war keine überlegte Entscheidung- ich hatte es einfach satt.
Und, als wir gerade aus der Stadt hinausfahren, bog der Track von der Straße ab, die geradewegs In Richtung Innichen und später Lienz (Österreich) führt.
Klaus will nicht vom Track abweichen und so trennen sich hier unsere Wege, ohne große Diskussion.
Wir wollen uns bei K5 in Oberdrauburg wieder treffen.
"Sempre su ciclabile"!?
und
"Eine leichte, einfache Etappe, fast ausschließlich bergab und auf einem Radweg.",
heißt es in der Beschreibung.
Ja, und dann änderte sich das Wetter und der Wind kam kräftig das Drautal hinauf. So kräftig, dass ich mich trotz Gefälle gegen den Wind anstemmen musste.
Aber ich kam dennoch ganz gut voran auf der Straße, die leider viel Verkehr hatte- aber das nahm ich nun gerne in Kauf. Der Wind wurde immer stärker, aus heiß wurde schwül-heiß, also ein Gewitter bahnte sich an. Kurz vor Lienz gab es dann auch Starkregen und wegen des kräftigen Windes kühlte ich gleich stark aus. Irgendwo unterstellen und auf Klaus warten, war eine Idee, denn hier in Lienz war ich ganz nah am Track. Komplett durchnässt, machte das aber keinen Sinn und so fuhr ich nun auf dem Track/Radweg entlang der breiten, tosenden Drau. In Lienz hatte die Drau ein wenig die Richtung geändert und nun blies der Wind mit aller Macht von hinten. Ein Sturm war es eher- die Bäume bogen sich und ich flog mit fast 40 km/h ohne Mühen dahin. Eher hatte ich Mühe das Rad gerade zu halten. Leider wurde ich dadurch auch nicht warm. An einer Brücke hielt ich kurz, schaute auf die Karte und versuchte Klaus zu erreichen, um zu hören, wo er sich befände. Anschließend führte der Radweg mich wieder einmal auf Naturstraßen durch einen Wald. Eine Alternative gab es nicht und ich bereute gleich, ab Lienz wieder tracktreu gefahren zu sein. Der Regen hatte natürlich dafür gesorgt die Waldwege komplett aufzuweichen und nicht nur mein Rad sah nachher aus wie "Sau".
In Oberdrauburg angekommen, musste ich nun versuchen möglichst schnell warm zu werden, während ich auf Klaus warten würde. Die Helfer waren sehr freundlich- die Kontrollstelle war vor einem Hotel. Auf der Toilette konnte ich mich trockenlegen- nur dazu brauchte ich erst einmal trockene Klamotten
Der hiesige Radladen hatte geschlossen. Es gab einen kleinen Supermarkt.
ich ging zu Fuß, um wärmer zu werden. Das Zittern hatte schon begonnen.
Im Supermarkt gab es lediglich dicke Strümpfe im 5er Pack. Ich kaufte 10, denn die gab es zum gleichen Preis, wie mir die Kassiererin empfohl.
5 in meiner Größe und 5 XL
Doch wohin mit den ganzen Sachen!?
3 Paar Socken zog ich mir an und aus Zweien machte ich mir Armlinge, indem ich die Fußspitze aufschnitt. Die saßen perfekt.
Wieder am Hotel angekommen, kam die Sonne heraus. Nachdem ich Socken und Armlinge getauscht hatte, wurde mir in der Sonne auch gleich warm. Glück gehabt. So ging ich von hier noch einmal zum Bäcker, kaufte zwei große Stücke Kuchen und als ich zurück kam war auch Klaus angekommen.
Zusammen fuhren wir bald weiter und einigten uns darauf zusammen auf dem Track, also ggf. auch auf einem Radweg zu fahren.
Kaum aus dem Ort führte dieser direkt in einen Wald- ein Ende nicht absehbar.
Nun hatte auch Klaus die Nase voll. Auf einer breiten Straße fuhren wir, immer noch mit Rückenwind, entlang der Drau, ca. 60 km bis Spittal
"Halb bergab und halb bergauf. Auf den ersten 70 Kilometern geht es noch leicht bergab, immer auf dem Drau-Radweg in diesem weiten Mittelgebirgstal, in dem die Maisfelder dominieren. Mal radeln Sie entlang des Deiches, mal durch den Wald. Die kleinen Weiler, durch die man fährt, sind immer sehr hübsch und typisch österreichisch."
Vom Gardasee bis Spittal führt der Track also zu (gefühlt) 90% auf Radwegen!
Kurz vor Spittal wurde es dunkel- also würden wir nicht, wie geplant im Hellen in den steilen Anstieg zur "Windischen Höhe" hineinfahren. Bis hierher waren es noch knapp 20 km. Aber so weit wichen wir bis jetzt nicht vom Plan ab.
in Spittal hielten wir an einer Tankstelle und machten eine längere Pause.
Eine größere Gruppe hatten wir zuvor getroffen mit denen wir zeitweise zusammen fuhren. Jedoch ihr Rhytmus passte nicht recht zu unserem.
Kurz vor Beginn der Steigung fing es wieder an zu regnen. Was vorher schon trocken war, wurde wieder nass. Aber dieser steile Anstieg, ließ kein Frieren zu.
Und wie der steil war!!
Die gefürchteten steilen Abfahrten zwischendurch waren kein Problem.
Bergauf war Schritttempo angesagt- endlos waren diese ca. 15 km.
Als wir dann endlich an der Passhöhe sind, sind wir mitten drin im Gewitter.
Donner, Blitze nicht weit entfernt. Dazu Starkregen. Wir halten und stellen uns unter einen Baum. Mir ist so kalt und elend, dass ich den Notaus- Knopf am Tracker hätte drücken können. Tatsächlich hatte ich keine Idee, wie es weiter gehen sollte. Wir hatten ja nun die Abfahrt nach Tarvisio vor uns. Mir fiel mein Rettungsbivy ein, welches ich bislang nur einmal beim
Eifelgraveller benötigt hatte. Ich schnitt das Fußende auf und nutze das Bivy nun als Poncho.
Es wurde mir dadurch etwas wärmer, jedoch fürchtete ich etwas, die Silberfolie können den Blitz anziehen.
Nachdem das Gewitter weitergezogen war, der Regen etwas weniger, nahmen wir vorsichtig die Abfahrt. Kurz hinter der Grenze -Trackabweichung!
Ich hatte gedacht wir würden nur noch bergab bis ins Tagesziel rollen und dann ins Bett fallen. Nein, der Track führte uns noch einmal auf schmalen (Wander-?) Wegen steil bergauf durch einen Park. Danach war ich so fertig, dass ich gar nicht mehr genau weiß, wie wir ins Ziel gekommen sind. Auf den letzten 16 km gab es noch einmal 420 HM.
Die Kontrollstelle Tarvisio (K6) war in einer Militärbasis und war sehr komfortabel. (2. Bagdrop)
Nachdem ich lange und heiß geduscht hatte, setzten wir uns zum Essen und Trinken. Auch hier wieder sehr freundliche Helfer, das Essen lecker und reichlich. Die Ankunftszeit war natürlich alles andere als planmäßig. Für die letzten 42 km hatten wir sicher 4 h gebraucht. Ankunft 02:15 Uhr
Da es draußen immer noch regnete, dachten wir ernsthaft darüber nach, was wir am nächsten Tag machen sollten. Trockene Sachen hätten wir dann keine mehr.
Was sollten wir also, tun, wenn es am nächsten Morgen noch regnen würde.
Zumindest besprachen wir, dass wir, abweichend vom Plan, nicht bei Sonnenaufgang weiter fahren würden, sondern keinen Wecker zu stellen, und dann schauen, wie das Wetter ist. Ein Abbruch des Brevets war nicht mehr undenkbar.
Der Schlafsaal hatte Feldbetten. Darauf lag und schlief es sich gut. Die Feldbetten waren noch größtenteils leer- also hatten wir wohl inzwischen einige Platzierungen gut gemacht. Das war nun völlig nebensächlich.
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