Mittwoch, 8. Dezember 2021

1001 Miglia- Quatro volta

 

Prolog:

Das vierte Mal und in mancher Hinsicht ein besonderes Mal.

Die Mille Miglia und insbesondere die Primiere in 2008 hat mein Leben verändert.

PBP 03 und 07 waren Herausforderungen, die es zu schaffen galt, die MM ist mehr als das.

Für die MM 08 habe ich 5 Monate zuvor aufgehört Alkohol zu trinken.

Ich dachte es könne nicht schaden noch ein paar Kilo zu verlieren in Anbetracht des Profils und der Höhenmeter.

Und ich bin bis heute dabei geblieben.

Nach der Tour wollte ich nichts anderes mehr, als in Italien 1000 Meilen fahren.

2010, 2012 waren ebenso große Erlebnisse, wenn auch ein wenig die Herausforderung fehlte, da ich ja wusste, es geht.

2012 war es dann durch Sahara- Winde extrem heiß in der Toscana und das muss man erst einmal überleben.

An den Zweijahres- Rythmus hatte ich mich inzwischen gewöhnt, da kamen die Veranstalter auf die Idee den Rythmus auf 4 Jahre auszudehnen. Schade, dachte ich- fing nun an das Fahren im Gelände zu intensivieren. Trans Iowa V10 und V11 wurden zur großen Herausforderung und auch die Revange der Tuscany Trail. Diese mehrtägigen Gravel- Touren sind doch eigentlich auch Brevets- wird doch hier nach ähnlichen Regeln gefahren. Noch war aber die MM, also das Langstrecken- Fahren auf der Straße klar erklärtes Hauptziel des Jahres.

Nach 4 Jahren "Entzug" freute ich mich besonders auf die MM 2016. Ich trainierte sogar nach einem Trainingsplan und war "in Form" wie selten. Der o.g. Tuscany Trail diente zur Vorbereitung und wurde selbst zum Highlight der Saison, insbesondere weil ich mir 14 Tage vor der MM das Schulterblatt brach.

Das war schwer.

Wir, die Familie, hatten allerdings 3 Wochen in Sestrie Levante gebucht- eine Wohnung mit Balkon zur Strecke der MM hin.

Im Nachhinein betrachtet eine sehr schöne Zeit, vielleicht besser noch als die MM gefahren zu sein. Aber zunächst einmal war es schwer, nicht Rad fahren zu dürfen, die Kollegen am Start zu verabschieden....Ich war extra nach Nerviano gefahren dafür. Und auch das Trikot habe ich mir geholt. 

Als es gar nicht mehr ging, leihte ich mir ein Rennrad und fuhr Pässe auf dem Track. Nur das Bremsen in den Abfahrten tat weh.

Ich fuhr nach Deiva Marina und ich fuhr ein Stück auf dem 2008er Track. Wollte die Holzofen- Pizzeria aufsuchen- fand sie allerdings nicht.

Meine Königsetappe war dann von Bagni de Lucca (Anreise mit dem Zug) auf den Track. Hatte mir Kreide besorgt und schrieb Clausto Copy und Tommeke auf den Asphalt.

Klaus und Tom kamen dann irgendwann in Sestrie Levante an. Sie schliefen erst einmal bei uns, dann folgte das Programm, Baden am Strand, Eis essen und am Ende mehrere Familien- Pizza d' asporto auf dem Balkon unserer Wohnung.

 

In Nerviano am Start hatte ich gelesen, dass ARI eine Serie ins Leben rufen wollen mit weiteren Grand Tours, die dann im Jahresrythmus wechseln.

2017 sollte die 999 (Meilen) folgen im Süden Italiens mit Start und Ziel in Rom.

Diese Aussicht ließ mich die verpatzte MM schnell vergessen.

Zunächst hieß es, die 999 hätte weniger Höhenmeter und wäre somit einfacher.

Nach dem Tuscany Trail dachte ich eigentlich schon die MM wäre für mich Anspruch genug und ich wollte nicht noch mehr.

Es kam dann genau anders- die 999 hatte deutlich mehr Höhenmeter zu bieten und es war sehr heiß im Süden. 

2018 folgte die Alpi4000 mit vielen Pässen und einem flachen Teil in der Poebene.

Waren bei der 999 die Straßenverhältnisse sehr schlecht gewesen, so fand ich diese hier in der Poebene wieder.

So schlecht hatte ich die Straßen bei der MM nicht in Erinnerung.

Kurz gesagt, ich hatte vor dem Start der MM 2020 schon so eine Idee, dass dieser 1000 Meilen Super- Brevet wohl mein Letzter sein könnte.

Ultima volta?

Und natürlich musste es die MM sein, die ich zum vierten und vielleicht letzten Mal fahren wollte.

Auch eine Besonderheit- und unweigerlich stieg der Druck diesen Brevet fahren zu "müssen"/ wollen.

2020, wieder war ich gut vorbereitet, fiel die Veranstaltung aus, bzw. wurde auf 2021 verschoben. Es war zu erwarten gewesen, jedoch hatte ich bis zum Schluss gehofft.

Als Trostpflaster machten wir eine Radtour durch Dänemark.

2021 sah die Lage besser aus. Ziemlich sicher würde sie stattfinden.

Noch eine Besonderheit: der Veranstalter drehte die Strecke um und nannte die MM, The Green Reverse.

Das heißt, zuerst die Berge und dann 400 km flach entlang des Pos, wo ich dann ziemlich sicher alleine unterwegs wäre.

2012 fuhren wir diese flachen ersten 300 km in 10 Stunden in einer großen Gruppe.

 

hier geht es bald weiter.....



 



1001 Miglia- The green reverse

 


Erstes Etappenziel: Parabiago- Pontedera

470 km - 7500 Hm



 

 

 

Wie passend zur allgemeinen Diskussion über den Klimawandel.

Die grüne Umkehr! Passend gab es Hitzrekorde im östlichen Mittelmeerraum mit an die 50 °C. Langsam zog diese Hitze Richtung Westen und erreichte Italien rechtzeitig zu MM. 

The itinerary 2020 will run through the streets in the opposite direction of the “classic” route of the first 4 editions.


Thanks to the new route, the stages with altitude difficulties are placed in the first 1000KM giving a return to Nerviano easier and more enjoyable for the riders. The last 400KM are totally flat and accompanied by the fresh waters of the longest Italian river.

 Dieser Ansicht, dass die letzten 400 km dadurch leichter und vergnüglicher sein würden, teilte ich von Anfang an nicht. Im Gegenteil, ich freute mich auf die Berge und ahnte, dass die Fahrt durch die Poebene viel mentale Kraft kosten würde.

Allein schon wegen der bekannt schlechten Straßen, der Hitze und der vermutlich wenig abwechslungsreichen, geraden Straßen.

Wie gut, dass ich mit dieser Einstellung an den Start ging.

Ich war, wie üblich, über Verona mit dem Zug angereist und hatte ein Zimmer im empfohlenen Hotel gebucht und hoffte so vor dem Start Ruhe zu finden.

Dies gelang dann doch nicht so richtig. Wir waren insgesamt  zu sechs Bekannte hier, vier Schleswig- Holsteiner und zwei Bekannte aus Hannover.

Die MM als Rennen fahren , so sahen es wohl eher die anderen- ich wollte mich eigentlich davon distanzieren. Ich wollte diese, für mich so besondere MM genießen. Und das heißt, bei diesem Profil, alleine fahren. Ich muss mich vor so einem Brevet immer sehr stark konzentrieren und das gelang mir hier nur wenig.

Die ersten 100 km sind ja flach- vielleicht könnten wir hier zusammen fahren und von einander profitieren- da hatte ich nichts dagegen. Wir starteten alle fast zeitgleich- dann kam von hinten ein Belgier und spannte sich vor uns.

Klasse. Er fuhr wie eine Lokomotive, gleichmäßig immer über 30 km/h.

Abwechslung brauchte er scheinbar nicht. So gleichmäßig, wie ein Uhrwerk, hätte ich stundenlang weiterfahren können. Doch irgendwann, hinter der Pontonbrücke ging auch der Belgier mal aus der Führung und sofort begann das Zupfen und Ziehen und ich verabschiedete mich schnell von der Gruppe.

Der Belgier kam noch einmal von hinten und ich wollte mich reinhängen. Das ging jetzt aber nicht mehr und so stellte ich mich schon früh darauf ein, die restlichen 1550 km alleine zu fahren.

Drei Letten kamen von hinten- mit ihnen fuhr ich eine Weile. Ein Amerikaner stand auf der Straße, mitten im Nichts, und sah gar nicht gut aus. Später erfuhr ich, dass er wegen der Hitze und zu hohem Anfangstempo aufgeben musste.

Also, vernünftig bleiben und in einem guten Tempo, gleichmäßig weiter.

Castellania am Grab von Fausto Coppi ist die erste Konrolle. Kurz bevor ich dort ankomme, fahren mir Klaus, Tom und Thomas entgegen. Sicher ein besonderer Ort, aber da ich hier schon einige Male war, halte ich mich nicht lange auf. Es ist inzwischen dunkel geworden und ich denke ein starker Kaffee wäre nicht schlecht.

In der Abfahrt finde ich ein Restaurant und bestelle einen Dopio- Amerikano.

Der nächste Kontrollort ist Casella Ligure. Die drei sitzen dort beim Essen.

Ich fülle nur meine Flaschen und fahre gleich mit ihnen weiter. Zu essen habe ich genug an Bord. Regelmäßig esse ich meine Energiekugeln- eine neue Angewohnheit, die sich in der Vorbereitung bewährt hat. 

Wir fahren nun zu viert zur ligurischen Küste. Schöne lange Abfahrt.

In Sestrie Levante an der Promenade muss ich einfach anhalten. Oft hatte ich hier beim Kaffee auf Angela gewartet, die mit einer Gruppe von Langstreckenschwimmern hier ihren Ausstieg hatten. Die Luft war in dieser Nacht eigenartig- sehr warm mit einer nahezu 100% -igen Luftfeuchtigkeit. Das Trikot, das Rad alles war nass. Gleich im ersten Anstieg hinter Sestrie lass ich abreißen und als ich in Deiva ankomme, wollen die drei bald weiter. Mein erstes großes Etappenziel ist Pontedera bei km 470. Hier wollte ich meine erste Schlafpause einlegen. Ich wäre, so hatte ich im Vorfelde ausgerechnet, vermutlich sehr früh, also gegen 20:00 Uhr dort. Zu früh um zu schlafen- zu spät, um noch die nächste Etappe bis Castel Nuovo Beradegna zur passenden Schlafenszeit zu schaffen. Ich konnte es also auf diesen ersten 470 "ruhig" angehen lassen und mir 1 oder 2 h Schlaf unterwegs gönnen. Als ich die anderen auf der Turnmatte sitzen sah, war klar- hier würde ich schlafen. Es war einer der wenigen Matten hier in der Halle. Ich schlief sofort ein und wachte nach 2 h wieder auf. Das war gerade passend zum baldigen Sonnenaufgang. Die Strecke nach Levante kenne ich, es wird langsam hell und ich genieße die Abfahrt. In Levante würde ich ausgiebig frühstücken. In der Bar an der Ecke halte ich, wie auch schon 2010, und bestelle große Portionen. Viele andere Randonneure halten und frühstücken hier. Levante ist zu dieser Zeit schon sehr lebendig. Levante ist ein Küstenort- es geht also von hier erst einmal steil und lange bergan durch das berühmte Cinque Terre. Ich erinnere mich an einen Traillauf, den ich hier 2016 machte von der hintersten Küstenstadt bis zur vordersten. Oben angekommen dachte ich, ah, jetzt geht es wohl nur noch bergab bis Aulla. Hier wollte ich ein Eis essen. Denkste! Es gab eine Umleitung wegen einer defekten Brücke. Wieder sehr lange und steil bergan.

Und nun kommt die Hitze dazu. Ich bin wirklich froh endlich in der Abfahrt zu sein. Diese MM scheint ganz schön anspruchsvoll zu sein. Diesen Abschnitt, von Aulla bis Levante hatte ich, umgekehrt gefahren, nicht so schwer in Erinnerung.

In Aulla endlich das begehrte Eis. Das beste Eis der Welt, wie mir der Besitzer versichert und ich will das gerne glauben. Noch ein Anstieg bis zum nächsten Etappenziel Gorfigliano. 

Die Hitze!

Die Hitze setzt mir jetzt arg zu. Es ist Mittagszeit als ich diesen Pass hochfahre.

Es ist wenig Verkehr und ich fahre abwechselnd links- und rechtsseitig, je nachdem wo Schatten ist. Weiter oben ist kaum noch Schatten. In Gorfigliano will ich etwas länger pausieren, Mittag essen, duschen...

Weiter fahre ich einigermaßen erfrischt.

Ich freu mich schon auf Castelnuovo Garfagna, einem Ort, den ich in guter Erinnerung habe. Doch leider umfahren wir den Ort auf einer Ortsumgehung.

Schade, denke ich- aber so komme ich meinem Tagesziel schneller näher.

Irgendwo halte ich, um ein Eis zu essen und treffe Werner und Pietro.

Werner erzählt mir, dass er und Pietro sich nicht verständigen können, dass Pietro aber schon eine Weile immer an seinem Hinterrad fährt.

Als wir weiterfahren, verstehe ich: dass Pietro "den toten Mann macht", er aber sobald ich in den Steigungen abreiße, schnell wieder an Werners Hinterrad ist.

Lustig- ich beobachte dies eine Weile bis die beiden in Bagni di Lucca etwas länger stehen wollen.

Ich fahre dem letzten Pass des Tages hinaus aus den Apeninen ins Arnotal alleine.

Da es immer noch recht früh ist, halte ich an einer Trattoria und esse Spaghetti.

Pontedera ist jetzt nicht mehr weit und dort gucke ich, wo ich meine Matte zum Schlafen hinlegen kann. Es sieht so aus, als ob wir draußen auf einem Rasenplatz schlafen müssen. Nicht optimal. Ich dusche unter einem Schlauch im Freien. Kalt aber gut. Dann esse ich und als ich meine Matte aufpuste, sehe ich, das Klaus neben mir schläft. Eine schöne, seltsame Verbindung- immer wieder treffen wir uns wieder.

Als ich liege, wollen er und Thomas weiter. Thomas deckt mich noch mit seinem Rettungstuch ab und von Klaus bekomme ich eine Art Kopfkissen.

2 h hatte ich in Deiva geschlafen, 2 h waren die beiden vor mir in Pontedera.

Nach Mitternacht wurde es nass und kalt- ich fror. Ich zog um unter ein Zelt, welches zum Essen bestimmt war. Dort schlief ich noch einmal bis kurz vor Sonnenaufgang.


 

 



1001 Miglia Pontedera-Bolsena

 Pontedera- Bolsena

290 km- 4200 Hm





In Ruhe packe ich meine Sachen, frühstücke und rolle noch vor Sonnenaufgang los. Den erlebe ich dann in voller Schönheit- fahre ich doch gen Osten hinein in die toscanische Landschaft. Der erste lange Anstieg ist nicht steil. Treppenartig geht es bergan und ich genieße die Bilder, die mir diese Landschaft bietet.

Nächstes Etappenziel ist Castelnuovo Beradegna. Zuvor passieren wir die mittelalterlichen Städte San Gimignano, Monteriggione und etwas  weiter entfernt Siena. Die Landschaft ist traumhaft. Immer wieder wunderschöne Landschaftsbilder. Das Profil ist wellig- ein ständiges rauf und runter- keine langen Anstiege. 1700 Hm auf 112 km , immerhin. Noch ist es nicht sehr heiß und ich genieße diese Fahrt. Auch treffe ich einige andere Fahrer, Griechen und einen Deutschen, und unterhalte mich kurz bis wir uns wieder trennen.

Klaus und Thomas mussten ca. 6-7 h vor mir in Pontedera weggefahren sein, und ich rechnete nicht damit noch einen der Kollegen wieder zu sehen. So wunderte ich mich nicht schlecht, als Klaus in Castelnuovo Beradegna, als ich mich gerade zum Essen an den Tisch setzen wollte, vor mir stand.

Es war etwa zur Mittagszeit, als ich dort ankam. Ich traf zunächst Lucca, "mi Amico", der mich zum Buffet führte und auf das Angebot zeigte. Ja, Hunger hatte ich und ich wählte unter anderem den Brotsalat, Pancanella, der mir unbekannt war.

Der beste Brotsalat meines Lebens.









Da Klaus nun bald los wollte, ließ ich mir nicht all zu viel Zeit. Wechselte die Klamotten und füllte meine Depots auch in der Taschen wieder auf, denn hier gab es den 1. "bagdrop".

Der nächste Stopp wäre dann San Quirico d'Orcia, hier hatte ich mir 2008 beim Kaffee den nötigen Bon zur Durchfahrtskontrolle geholt und hier hatten Klaus und ich beim Tuscany Trail gefrühstückt. Vorher durchfahren wir die die Crete Senesi, diese einzigartige Landschaft.












Typisch, diese quietschenden Geräusche der Ketten angetriebenen Trecker, die eine sehr grobe Stolle aufwerfen. Wir fragen uns nach dem Sinn, dieser Art des Pflügens. Im Hintergrund ist oft der Monte Amiata zu sehen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

Jetzt freue ich mich über diese schönen Fotos. Klaus hält öfter mal für einen Fotostopp- jedes Mal verliere ich den Rhythmus und fahre später einfach gleichmäßig weiter, was wiederum Klaus nicht so toll findet. Es ist auch inzwischen unglaublich heiß, kein Schatten- nur der Fahrtwind, der das Fahren erträglich macht. kurz vor San Quirico, fahre ich in einer Abfahrt in ein Schlagloch. Habe gleich ein komisches Gefühl, obwohl die Luft, nicht, wie bei einem Durchschlag üblich, sofort entweicht. Allmählich bekomme ich einen Platten. Kein Schatten! In der sengenden Hitze wechsele ich den Schlauch. Klaus schicke ich voraus- es reicht ja, wenn einer in der Sonne brät.

In Quirico will ich unbedingt ein Eis essen.

Dort angekommen sehe ich Thomas, der hier länger pausiert hat.

Unsere Pause wird jetzt auch länger. 2 Portionen Pasta für jeden. Endlich sitzen wir im Schatten. Ich flicke noch meinen Schlauch und lange warten wir auf eine Pumpe, die aus dem Dorf geholt werden muss. Es tat aber gut, mal aus der Sonne heraus zu sein.

Kein Eis und auch den Abzweig auf die Strade Bianche, die ich unbedingt fahren wollte, verpassen wir. So ist das, wenn man in der Gruppe fährt. Eine steile, schnelle Abfahrt- da macht es natürlich keinen Sinn umzukehren. Später im Flachen sehe ich eine Schotterpiste und da muss ich einfach mal den Track verlassen.


 





 

Es folgt der Anstieg zum Radicofani- Pass . Mal wieder ein längerer Anstieg und Thomas fährt voraus. Ihn sehe ich nicht mehr- auch nicht im Ziel. Er macht später eine lange Schlafpause in Bolsena. Radicofani passieren wir dann nur- wieder kein Eis. Erst später in der Ebene halte wir an einer Tankstelle.Kein Gelato aber immerhin ein Eis aus der Truhe. 3 weiter Randonneure folgen unserem Vorbild.

Ein Irrer will uns mit seinem kleinen Fiat Panda töten! Im Ernst. Nur mit viel Geschick und etwas Glück entkommt Klaus diesem Tötungsversuch. So etwas habe ich noch nicht erlebt und schon gar nicht in Italien. Später, bei der Geheimkontrolle, einer Pizzeria an der Landstraße erfahren wir, dass der Irre es auch bei anderen versucht hat. 

Pizza wollen wir in Sorano essen auf der schönen Piazza, die wir beim Tuscany Trail kennen gelernt hatten. Dort angekommen, wurden wir etwas enttäuscht.

Kaum Leben auf der Piazza- nur wenige Läden überhaupt offen. Es wird deutlich, die Pandemie hat Spuren hinterlassen. Nicht so einfach jetzt eine Pizza zu bekommen. Da es gefühlt, mehrere Stunden und einige Getränke dauert bis wir uns endlich sättigen können, erleben wir einen toscanischen Abend, der so sicher lange in Erinnerung bleibt. Auf den Treppenstufen gegenüber dem Pizzaofen sitzend, beobachten wir das wenige treiben in der Stadt, die wir 2016 so ganz anders erlebt hatten. Auch überdachten wir die aktuelle Tour und Klaus fragte mich, ob wir nicht von hier aus zum Meer fahren wollten, Eis und Pizza essen, toscanische Abende verbringen.

Natürlich fuhren wir nicht zum Meer. Um zu meinem Tagesziel am Lago Bolsena zu kommen, musste noch ein Berg bezwungen werden. Es war inzwischen Nacht geworden. Es gab mehrere Polizeisperren auf dieser Straße, die durch das Blaulicht schon von Weitem sichtbar waren. Sonst war eigentlich nichts los in dieser einsamen Gegend. Wozu diese Straßensperren? Vielleicht war es eine Übung für Polizeischüler- es wirkte etwas surreal.

Kurz vor Bolsena machte ich einen kleinen Endspurt- ich wollte nun endlich ankommen und schlafen. Es sollte keine Schlafgelegenheit geben hier, jedoch wurden wir wieder einmal (positiv) überrascht. Eine Bar und Duschen und Schlafgelegenheit in einer Turnhalle. Bestens! Klaus wollte weiter und wir trennten uns dann auch gleich. Jeder machte Seins. Klaus hat wohl doch hier geschlafen- ebenso wie Thomas.


1001 Miglia Bolsena- Scarperia

Bolsena - Scarperia

300 km- 4700 Hm





Ich wachte ohne Wecker auf und bis zum Sonnenaufgang war es noch Zeit.

Leise und ruhig versuchte ich meine Sachen zu packen. Um mich herum schliefen noch fast alle. Anschließend setzte ich mich auf die Treppen im Eingang mit einem Kaffee und versuchte langsam wach zu werden. Ein seltsamer Abend war es gewesen gestern und das hing mir noch etwas nach. Irgendwann realisierte ich, dass jemand auf einem Stuhl vor mir saß und mich anguckte. Es war Pietro und er guckte unendlich traurig. Er sagte, Werner wäre weg- sie waren verabredet um diese Zeit weiter zu fahren aber er konnte ihn nicht finden.

Hatte Werner sich aus dem Staub gemacht!? Mir war gleich klar, was nun passieren würde und ich sagte zu Pietro, ich bräuchte noch ein paar Minuten.

Als ich dann zu meinem Rad ging, um zu packen, stand Pietro schon abfahrbereit;

sagte aber kein Wort.

Gemeinsam rollten wir noch im Dunklen hinaus aus Bolsena, hinein in den ersten Anstieg des Tages.

Wir hatten nun ungefähr die Hälfte der MM hinter uns- die Hälfte mit den meisten Höhenmetern. Gleichmäßig ruhig aber ohne lange Pausen wollte ich diese Tagesetappe fahren. Vorbei am Lago Trasimeno mit den dort bekannt schlechten Straßen, vorbei an Arezzo, dessen Hausberge ich von unserem Sprachkurs noch gut in Erinnerung hatte, und später am Abend hinein in den langen Anstieg zum Dach der MM auf 1020 m. Pausieren wollte ich auf jeden Fall am Lago Trasimeno und in Arezzo und natürlich an den offiziellen Kontrollstellen aber eben nur kurz. Würde ich Klaus und Thomas wieder sehen?- wahrscheinlich nicht- denn beide waren sicher schon weit voraus. So in Gedanken fuhren wir durch den "Parco del monte Peglia e selva di Meana". Pietro fuhr manchmal mit kleinem Abstand, manchmal dicht hinter mir. Wir redeten kaum und ich empfand das gemeinsame Fahren als sehr angenehm. 

Dieser bewaldete Naturpark in Umbrien war unglaublich trocken und viele Bäume hatten vertrocknete, braune, tote Blätter!

Das Motto "The green reverse" fiel mir wieder ein.

In der Nähe von Orvieto hielten wir für einen ersten starken Kaffee- viele andere Randonneure hielten hier. Später, nach ca. 70 km, in Marsciano machten wir unsere erste Pause und es stellte sich heraus, dass Pietro und ich durchaus miteinander kommunizieren konnten. Alter, Familie, Beruf.....Pietros Pause erschien  mir planvoll und alsbald stand er wieder abfahrbereit an seinem Rad.

Ohne größere Anstiege führte der Track nun gen Norden zum Lago Trasimeno.

Langsam wurde es wieder heiß und ich merkte, dass Pietro jetzt öfter mit größerem Abstand hinter mir fuhr. Pietro hatte kein Navigationsgerät und auch das Roadbook des Veranstalter nicht am Lenker. Lediglich handschriftlich standen Orte auf einem Zettel, den er auf seine Lenkertasche geklemmt hatte. Ich schaute mich dann öfter mal nach ihm um. Kurz vor dem Lago hielt er einfach unter einem Baum an und blieb stehen. Es war also die Hitze, die Sonne. Pietro konnte mein Tempo nicht mehr halten. Am See, kurz vor Passignano, hielt er ein weiteres Mal, und machte keine Anzeichen weiterzufahren. Ich stellte eine Eispause in Aussicht- Anhalten ohne Pausieren macht für mich keinen Sinn. In Passignano, dem Kontroll- und Bagdrop- Ort vergangener Touren, wollte ich sowieso pausieren. Am Ende fuhr ich einfach weiter und wartete an einer Gelateria am Ortsende.

Pietro kam und wir genossen ein sehr leckeres Eis mit Ausblick über den See.

Im Schatten war es gerade aushaltbar- so heiß war es nun. Bevor wir weiter fuhren, wollte Pietro Selfies von uns mit dem See im Hintergrund- so viel Zeit gönnten wir uns noch...schließlich ist dieser Durchfahrtsort für viele Menschen hier ein beliebter Urlaubsort.

Bis zum nächsten Kontrollort Camucia waren es nur etwa 20 km, doch diese zogen sich zäh wie Gummi. Es war extrem heiß und Pietro ließ immer wieder abreißen und ich wollte ihm nicht so kurz vor der Kontrollstelle davon fahren.

Ich ahnte schon, dass sich unsere Wege dort trennen würden. Als er kurz vor der Kontrollstelle abermals anhielt, fuhr ich dann schon mal vor. 

Hier gab es wieder sehr leckeres Essen, u.a. wieder den Brotsalat. Als Pietro aß, erfrischte ich mich unter der Dusche, füllte meine 3 Trinkflaschen und fühlte mich sehr gut. Ich wollte dann auch bald los und schaute nach Pietro. Er war über sein Essen eingeschlafen. Ich sagte ihm, ich wolle jetzt los und er wollte mit. Seine Augen fielen aber bald wieder zu. Nun hatte ich ein Problem, denn ich wollte nicht einfach so abhauen, wie es möglicherweise Werner gemacht hatte.

Ich stellte also mir und ihm ein Zeit- Ultimato und wartete am Rad.

Er kam nicht, ich schaute nach und stellte ihm ein weiteres Ultimato und er versicherte mit fahren zu wollen....

Es fiel mir nicht leicht, ohne ihn weiter zu fahren aber alles andere machte keinen Sinn.

Ich musste noch lange darüber nachdenken bis es in den nächsten Anstieg hinein ging, der mir relativ leicht fiel. Offensichtlich hatte ich mich gut erholt bei der letzten Kontrollstelle. Auch kannte ich diese zwei Anstiege in Folge ganz gut, denn dies war der Hausberg von Arezzo, wo ich 2016 nicht nur die italienische Sprache trainiert hatte. Die Abfahrt genoss ich, denn ich wusste hier konnte ich laufen lassen. Arezzo wurde östlich umfahren. Ich hielt Ausschau nach einem Cafe, Gelateria oder so. Erst an der Ortsdurchfahrt fand ich dann eine Tankstelle, wo ich etwas pausierte. Bis zur nächsten Kontrollstelle wurde die Strecke sehr wellig mit teilweise sehr knackigen kurzen Anstiegen. Ich teilte mir die Strecke mit zwei Frauen, Randonneurinnen, die mich bergauf überholten, nachdem ich sie bergab meinerseits überholte. Dieses Spiel wiederholte sich bis kurz vor Figline Valdarno, also im Tal des Arno. Hier ab es den zweiten Bagdrop, meine Tasche mit frischen Klamotten, Riegeln etc. Ich duschte, aß, sortierte...alles etwas mit Eile, denn ich wollte unbedingt noch im Hellen in den Anstieg hinein. Pietro kam, als ich gerade fahren wollte. Ich sprach ihn an und er meinte, er habe mich nicht bremsen wollen. 

Ich war kaum in den Anstieg hinein gefahren, da hielt ich noch einmal, um mit meiner sportlichen Leitung zu telefonieren. Es war jetzt auch dunkel geworden.

Der Anstieg war tatsächlich recht lang. Ich bekam schon wieder Hunger und hielt in einem Ort, der wunderschön im Hang gelegen war und von dem aus man über das erleuchtete Florenz blicken konnte. Ich fuhr in die Nacht hinein mit der Gewissheit mein Tagesziel Scarperia zu erreichen- wann, das war mir in dem Moment ziemlich egal. Ich stellte mich auf eine Nachtfahrt ein und fuhr entspannt bergan. Ich fuhr auf einen Bremer Randonneur auf, sprach ihn an und weckte ihn wohl. Denn er redete nun sehr viel und zog dabei das Tempo merklich an, bis es mir zu schnell wurde. Oben angekommen war ein Naturpark, Parco Vallombrosa, der gut besucht war. Wahrscheinlich wegen der nicht weit entfernten Großstadt. der Park und vor Allem die Parkbänke hatten nun eine magische Anziehungskraft auf mich. Warum nicht hier schon schlafen und am kommenden Morgen hinunterrollen zur Kontrollstelle!? Ich war wohl sehr müde geworden. Kaum hatte ich diese Idee, schon hatte ich meine Matte und den Schlafsack auf eine der Bänke ausgebreitet. Ich schlief wohl sofort ein aber nicht für lange. Denn es zog hier ein kalter Wind über den Berg. So konnte und wollte ich nicht schlafen.

Also, schnell wieder alles zusammen gepackt und weiter. Alle Gäste des Parks waren nun fort und ich alleine auf dieser Bergkuppe. In der Abfahrt nahm ich Fahrt auf und plötzlich stand da ein großes Wildschwein am Straßenrand und versetzte mir einen ordentlichen Schrecken.

Nun war ich wieder wach. Vorsichtig nun nahm ich den Rest der Abfahrt- immerhin 18 km mit 900 m Höhendifferenz. Die restlichen 30 flachen Kilometer fuhr ich dann wieder im Halbschlaf und sehnte die Schlafgelegenheit herbei.

Als ich mich gerade in meinen Schlafsack verstecken will, ich mache das immer im Stehen, steige ein und ziehe ihn dann hoch, um mich auf die zuvor bereit gelegte Matte zu platzieren, muss ich wohl Klaus einen ordentlichen Schrecken eingejagt haben. Wieder einmal will Klaus gerade aufbrechen, als ich mich zum Schlafen lege. Ist das noch Zufall. Da mein Schlaf- Innensack weiß ist, sieht es wohl so aus, als ob es ein Leichentuch wäre. Den ganzen Tag war Klaus etwa 4 h vor mir her gefahren.

Und Thomas?- er hatte in Bolsena lange geschlafen und kommt gerade an, als ich gegen 5 Uhr aufbrechen will.




hier geht es bald weiter



Dienstag, 7. Dezember 2021

1001 Miglia - ein langer Endspurt

 Scaperia- Parabiago

520 km- kaum Höhenmeter





Noch einmal ca. 600 Hm waren jetzt am frühen Morgen noch zu überwinden.

Der letzte Anstieg- danach fuhren wir in die Poebene- danach waren nur noch Brücken zu überwinden. 10 Kilometer noch bergan. Ich war einigermaßen erfrischt und warum nicht jetzt schon an den Endspurt denken.

Vor diesen 500 Kilometern hatte ich einen großen Respekt- viel mehr als vor dem, was hinter uns lag. Berge fahre ich gerne, Berge haben ein Ende.....Abwechslung....

Dazu kamen die mir bekannt schlechten Straßen. 

Ich musste mich also irgendwie motivieren, vielleicht sogar überlisten.

Gut war auf jeden Fall der Respekt, den ich hatte.

Klaus war am Vortag immer ca 4 h vor mir gewesen und war in Scaperia vielleicht  3 h vor mir los. Vielleicht würde ich Klaus noch einmal sehen, wenn ich jetzt zum Endspurt ansetzte!? Von meiner sportlichen Leitung erfuhr ich dann, dass er 3 h 6 ' vor mir in Lugo dem nächsten Kontrollort war. Hier hatte ich zuvor noch an einer Tankstelle meine Kette geölt.

>Frag mal hierzulande an einer Tankstelle nach Öl, wenn man mit dem Rad kommt....der Tankwart füllte mir auf Anfrage ein kleines Glas mit Motorenöl und stellte es auf den Werkstattboden.

An der Kontrollstelle hielt ich mich nicht lange auf, füllte alle meine Flaschen, denn nun würde es heiß werden. Vom nächsten Abschnitt erinnere ich nur lange gerade Straßen, Hitze, Brücken über Schnellstraßen oder Bahngleise und einmal ein Stück Schotterstraße, welche als Option angeboten wurde. Natürlich fuhr ich diese.

Nun fing ich an, mich selbst zu überlisten: 

Jeder kennt sicher diese Momente, auf langen Geraden, wo man mal aufhören möchte zu treten- es mal kurz rollen zu lassen- der Müdigkeit, dem Antrieb nachzugeben. Immer wenn ich diesen Moment spürte, machte ich genau das Gegenteil- ging aus dem Sattel und beschleunigte.

Das funktionierte tatsächlich und ich verspürte Lust dabei, so mit einem recht gutem Tempo voran zu kommen. Diese Art zu fahren, behielt ich tatsächlich fast den ganzen Tag bei und erst am Abend verließ mich die Kraft dazu.

Auch hatte ich ja die Idee, Klaus noch einmal einzuholen, wenn er in der Nacht noch einmal schlafen würde, zum Beispiel in Colorno !?

Massa Finalese war dann der nächste Kontrollort. Um dorthin zu gelangen fuhren wir quasi einmal hin Richtung Westen, um dann Richtung Osten auf einem Radweg wieder zurück zu fahren.

Gut, dieser bot ein wenig Abwechslung
, schon allein wegen der Crosseinlagen. Aber ich wurde doch unweigerlich an 2016 erinnert.

Ich fragte mich, warum wir zunächst auf breiten, öden Straßen eine lange Anfahrt nahmen, um dorthin zu gelangen.

Bald kamen wir an den Po und fuhren quasi auf der "Promenade" entlang dieses großen Flusses. Immer wieder schöne Ausblicke boten etwas Abwechslung. Ich fuhr auf zwei Belgier auf und suchte etwas Konversation- jedoch sie kamen aus dem französisch sprechenden Teil. Auch waren sie gleich ein paar Radlängen zurück, als es ein paar  Crosseinlagen gab !??

Pieve di Coriano, der nächste Kontrollort, war von Alpi4000 bekannt. Hier bei dieser Sportstätte hatte es mir 2018 schon sehr gut gefallen: ein Fest, des ganzen Ortes erwartete hier uns Radfahrer- gutes Essen, Schatten unter Bäumen....ein Ort, den man schwerlich wieder verlassen möchte.

Ich verlasse Pieve kurz vor Sonnenuntergang, um wieder zum Po zu gelangen.

Kaum bin ich dort auf der Uferstraße bekomme ich einen Platten. Ohje, nicht hier! Es ist jetzt die Zeit der Dämmerung- ich stehe kaum, da habe ich 1001 Mücke am ganzen Körper. Ich pumpe deshalb nur kurz und fahre noch ca. 2 Km bis zum nächsten Ort- hoffe, dass dort weniger Mücken sind.

Dies ist leider nicht der Fall an der Bank im Ort, an dem ich in Eile den Schlauch wechsele. Schnell sitze ich wieder auf dem Rad und genauso schnell komme ich auch wieder zum Stehen, denn der Schlauch platzt mit einem lauten Knall.

Die Mücken lassen sich davon nicht verjagen. Ich habe noch den Schlauch, den ich in San Quirico geflickt hatte, doch der will die Luft nicht halten. Wohl doch ein Snake-Bite gewesen....

Ich bin jetzt ziemlich verzweifelt. Gefräßige Mücken machen mich immer sehr nervös.  Ich müsste nun flicken und würde dabei langsam aber sicher meines Blutes beraubt. Keine gute Aussicht- doch da kommt Rettung.

Die zwei Belgier kommen nun vom Deich herunter in den Ort. Ich bekomme gleich einen neuen Schlauch angeboten. Sie haben einige davon. Ich "Profi" meinte Gewicht sparen zu müssen und führte normalerweise nur einen Ersatzschlauch mit.

Die Belgier wollten sogar helfen und warten, erkannten aber bald, dass dies kein guter Ort dafür war und fuhren weiter.

Dieses Mal wechselte ich den Schlauch sehr sorgfältig aber dennoch zügig. 

Als ich aus dem Ort fuhr- endlich wieder Fahrtwind, durchfuhr ich große Schwärme von Mücken....nur nicht noch einmal platt fahren. Mein guter Lauf des Tages war dahin und ich sorgte mich sehr darum, die nun anstehenden Schotterstraßen, die ich sonst so liebe, heil zu überstehen. Es war nun sehr dunkel und einsam auf der Landstraße und ich war froh, als ich später wieder durch etwas zivilisiertere Gegenden kam. Nun entspannte ich auch wieder, fing an die Nachtfahrt wieder zu genießen und dachte, diese knapp 300 km des Tages doch recht gut bewältigt zu haben.

Es war nun nicht mehr weit bis Colorno. Ich traf einen Italiener mit dem ich eine Weile zusammen fuhr. Wir durchfuhren einige Orte und dann verloren wir uns.

Ich hatte ein wenig die zeitliche Orientierung verloren- wurde auch schon wieder müde und beschloss in Colorno zu schlafen. Auch hatte ich mir vorgestellt, so etwas wie eine Schlafgelegenheit zu finden und Klaus wäre dann auch dort.

In Colorno auf dem Piazza Guiseppe Garibaldi fand ich dann das Bild schlafender Randonneure auf Stühlen vor einer Bar. Hier bekam ich einen Stempel ins Kontrollbuch. Eine Schlafgelegenheit gab es nicht. Ich versuchte es auch, wie die anderen Randonneure, indem ich zwei Stühle zusammenschob. Als ich damit keinen Erfolg hatte, schaute ich mich auf dem Platz um und fand einen steinernen Bankvorsprung an der Mauer gegenüber der Bar. Breit genug, um die Matte auszulegen. Es war recht frisch hier und auch, weil es ein öffentlicher Platz war, behielt ich meine Radklamotten an. Ich wachte dann später auch auf, weil ich fror. Es zog ein kalter Wind hier an der Mauer. 

Gut, fahr ich eben weiter. Etwas Schlaf hatte ich bekommen. Nun hatte ich das Problem, dass ich eine Toilette suchte, fragte gar einen Polizisten, der hier nach dem Rechten schaute. Inzwischen lagen sehr viele Randonneure einfach auf dem Boden vor der geschlossenen Bar.

Also auch kein Kaffee am Morgen. Ich rollte dann einfach weiter auf dem Track über die Brücke. Über das Kopfsteinpflaster erinnerten mich meine Handgelenke, dass ich die Handschuhe liegen gelassen hatte. Diese fand ich vor der Bar als diese gerade wieder öffnete. Was für ein glücklicher Zufall. Nun bestellte ich einen großen Dopio- Amerikano und fühlte mich gleich bereit für die finalen Kilometer.

Hinaus in die dunkle, ländliche Ebene. Kurz hinter Colorno bog der Track von der Hauptstraße ab auf Feldwege. Vor mir ein anderer Fahrer überlegte nicht lange und fuhr zurück auf die Straße. Ich suchte noch etwas nach dem richtigen Weg, folgte dann aber auch, denn auf unasphaltierten Feldweg hatte ich jetzt keine Lust. Das Rücklicht des anderen Fahrers sah ich jetzt nicht mehr.

Weiter fuhr ich nach Gefühl, denn ich habe ja keine Karte auf dem Navi. Am Ende waren es nur 3 Kilometer parallel zum Track. 

Klaus hatte natürlich nicht in Colorno geschlafen. Den ganzen Tag war die Distanz zwischen uns etwa 3 h gewesen. Klaus musste also wohl auch eine Art Endspurt gemacht haben. Da ich die zeitliche Orientierung etwas verloren hatte, helfen die Zahlen an den Kontrollstellen im Nachhinein. Fombio. den nächsten Kontrollort erreichte Klaus etwa 7,5 h vor mir- ich hatte also wahrscheinlich 4,5 h  in Colorno pausiert. Im Ziel war Klaus etwa 5,5 h vor mir. Er hatte dort in Fombio eine längere Pause gemacht. 

Nach etwa 50 Kilometern passierte mir etwas, was sonst eher nicht vorkommt- ich verpasse eine Abfahrt und bin 3 km weiter, bevor ich es merke.....mangels Karte, wende ich lieber, bevor ich ansonsten an eine Brücke oder einen Kanal komme, den ich nicht überqueren kann.

An einer Bar halte ich für einen starken Kaffee. Dort treffe ich zwei Randonneure, ein Päarchen, aus Baden- Württenberg und wir fahren gemeinsam los. 

Mit ihm unterhalte ich mich sehr angeregt, eine nette Abwechslung, bis sie mit Schwung von hinten kommt und voraus fährt. Ihr ist es zu langsam so und unsere Unterhaltung ist aprupt beendet. Ich versuche nicht lange mitzuhalten und fahre alleine weiter. Später in Fombio machen die beiden lange Pause, jedenfalls länger als ich. 

Bevor ich endlich Pavia erreiche sind ca 45 Kilometer schnurgerade Hauptstraße zu fahren. Es ist inzwischen wieder sehr heiß geworden und der Straßenbelag läßt meine Unterarme, Handgelenke schmerzen. Auch das Sitzen wird langsam unbequem....die Körperspannung lässt wohl nach und ich kann mich auch nicht mehr überlisten. Im Gegenteil, ich sehne nun langsam das Ende herbei, ca 70 km vor dem Ziel. Ich halte noch einmal an einer Bar und bestelle eine Cola und einen Grappa! 

Zum Glück durchfahren wir nun eine etwas schönere, abwechslungsreichere Landschaft, während wir entlang des Ticino Richtung Westen fahren. Noch einmal würden wir über die Pontonbrücke fahren, wie auf dem Hinweg. Diese überquert den Fiume Ticino, nicht den Po, wie ich immer gedacht hatte.

Hier will ich ein Eis essen, finde die bekannte Bar aber geschlossen. Auf der anderen Seite werde ich fündig, nehme mir Zeit für diese Pause. 

Der Track führt nun lange auf kleinen Wegen durch Reisfelder entlang eines Bewässerungskanals. Sehr hübsch. Nur sehr wenig Schatten gibt es hier und ich werde schon wieder müde. Hier ist es nett- warum nicht ein kleines Mittagsschläfchen machen. Ich finde etwas Schatten unterhalb eines Schildes- schlafe wohl sofort ein.

Als ich aufwache, fährt gerade Udo vorbei. Ich springe schnell aufs Rad und hole ihn ein. Bis zum Ziel bleiben wir nun zusammen - lernen uns kennen und unterhalten uns angeregt. Meine Körperspannung ist plötzlich wieder da und auch das Tempo steigt langsam zu einem Endspurt. 

Udo kennt Klaus von Berlin-Wien-Berlin. Wir fahren entlang eines Flusses- sehr schön dieses Finale. Ich denke es ist der Ticino, und wundere mich nicht darüber, dass dieser so viel Wasser führt. Erst kürzlich war ich ja noch vom Nufenen hinunter in das Ticinotal gefahren und es hatte dort das ganze Wochenende stark geregnet. Wie lange braucht das Wasser wohl , um von dort hierher zu kommen.

Wir treffen noch zwei Italiener und gemeinsam sprinten wir dem Ziel entgegen- eigentlich Quatsch, uns am Ende noch so kaputt zu fahren....macht aber Spass.

Im Ziel bekommen wir die Medaille, dieses Mal in Gold, vermutlich weil die MM ja ursprünglich im Olympischen Jahr 2020 stattfinden sollte.

Die Urkunde mit unserer Finisher- Zeit wird gedruckt und dann bekommen wir noch Plätzchen von einem Sponsor.

Udo und ich wollen nun anstoßen auf unseren Erfolg und treffen gleich auf Klaus, Tom und Evelyn, die auch schon mehrfach angestoßen hatten.

Ein freudiges Wiedersehen. Alle aus unserer Gruppe waren heil durchgekommen- nur Thomas war noch unterwegs und kam wenige Stunden nach mir ins Ziel.

War dies nun mein letztes Mal, dass ich in dieser Form 1000 Meilen gefahren bin?

Die nächste Mille Miglia ist 2023, habe ich gehört!