"Niemals komme ich damit auf den Zoncolan", hatte ich geschrie(b)en!
Ich hatte nicht lange überlegt, als es mit dem Leihrad nicht so richtig klappte.
Für 100 € konnte ich dieses schöne, alte Bottecchia kaufen. Auf den ersten Blick war bis auf das Hinterrad alles im Originalzustand: Modolo- Kurbel und Bremsen, Campagnolo Rahmen- Schaltung und eine Miche Vorderradnabe und Pedale.
Leider war das Hinterrad ein neueres Shimano mit einem 6-fach Schraubkranz und es hatte einen leichten Höhenschlag.
Ich hatte ein gutes Gefühl bei dem Kauf, zumal der Händler sehr freundlich war.
Wir waren dann noch bei einem anderen Händler und anschließend bekamen wir Hunger. Wir fanden die Osteria della Pace um die Ecke pünktlich Mezzogiorno. Nachdem wir einen Platz bekommen hatten lief ich los , um das Bottecchia zu kaufen. Musste sein.
Den Sattel, ein harter Knochen, habe ich natürlich gleich ausgetauscht gegen den mitgebrachten Terry. Es wurde also gleich am Abend geschraubt und das Rad für mich passend gemacht. Angela hatte sich bei Decathlon Rent ein Rad geliehen und so konnte wir gleich am Dienstag unsere erste Probefahrt machen.
Lenker und Bremsen musste ich so verstellen, dass ich vernünftig greifen konnte.
Dies würde allerdings bedeuten, dass ich nur im Unterlenker fahren würde, außer vielleicht bergauf. Natürlich war der Rahmen zu groß.
Vorsichtshalber tauschte ich vorne die Bremsklötze gegen neue aus, denn die alten waren noch im Originalzustand.
Am Ende unserer ersten flachen Probefahrt zur historischen Stadt San Vito al Tagliamento war ich zufrieden. Fahrbar das Rad. Es rollte gut. Klar die Sitzposition war nicht optimal bei dem langen Oberrohr aber naja- für die zwei Wochen würde es gehen. In San Vito tranken wir ein Glas Centrifughe auf dem Piazza del Popolo.Gegenüber am Duomo stieg ein hoher Geistlicher aus einem lila Jaguar.
Und auf der Rückfahrt die erste Gravelpassage, flach zwischen Weinfeldern.
Die zweite Ausfahrt sollte noch flach sein. Ich wollte sicher auf dem Rad sein, bevor ich in die Berge fahre. Nur ein kleiner Test hoch zum Castello di Polcenigo !?
Auf halben Weg , noch asphaltiert, hatten wir einen schönen Blick auf den Platz mit dem Brunnen und dem Cafe, wo es den besten Kuchen gab. Anschließend ging es steil bergan auf groben, nassen Pflaster, wo ich zum ersten Mal die Übersetzung testen konnte. Schrieb ich schon, dass das Botecchia eine Heldenkurbel besaß- also 42/28 war die minimale Kettung. Die letzten Meter waren nicht mehr fahrbar- so steil.....Danach allerdings stieg ich nicht mehr ab- auch nicht für die Schloßbesichtigung. Die Bremswirkung auf der Abfahrt war ausreichend gut.
Eine Schotterstrecke sollte es bei der dritten Ausfahrt werden zur Stadt Spilimbergo, der Stadt mit der weltweit einzigen Mosaikschule.
Und was für eine
Schotterstrecke das war!
Schon bald nachdem wir die letzten Vororte von Pordenone verlassen hatten folgten die ersten langen Schotterabschnitte....erst fein, wie auf dem Bild wurden die Straßen und auch der Schotter immer grober. Und vor Allem hörten sie nicht auf. ich fühlte mich gleich sehr wohl- das Bottecchia schien, wie dafür gemacht.
War Ottavio hier auch schon gefahren? Ich konnte es mir vorstellen.
Als wir dann zum Meduna kamen, erwartete uns eine Schotter- oder besser Kieswüste. Nur unterbrochen manchmal von kleinen grünen Oasen. Fahrbar war dies leider nicht und so schoben wir unsere Räder dem Track entlang. Man konnte sehen, dass hier auch Autos fuhren. Viele Spuren zogen sich durch den Kies- meistens in Längsrichtung. Wir kamen trockenen Fußes hinüber- doch wo ist der Fluss? Ausgetrocknet? Eine Versickerung, wie wir später nachlesen konnten.
Ja, sogar Straßen, wie die SP27, führen hier hinüber.
Ein Paradies für Gravel- Freunde ist das hier. und auch im weiteren Verlauf Richtung Spilimbergo, blieb das so. Und wir sahen auch, wo das Wasser verblieben ist- die vielen Bewässerungskanäle waren randvoll, durchzogen die Landschaft und sorgten für üppig grüne Felder und auch die Bebauung der Dörfer, die wir durchfuhren zeigte den Reichtum der Gegend.
In Spilimbergo fanden wir eine gute Eisdiele in der Nähe der einzigartigen Mosaikschule. Auf dem Rückweg wurden wir etwas trackuntreu- wir wollten unsere Handgelenken, Rücken und Po etwas schonen und blieben auf der asphaltierten SP 53. Den Torrente Cellina, überquerten wir auf einer langen Brücke, war hier ein gigantisch breites Kiesbett. Auf der Westseite angekommen, entschieden wir uns aber wieder für die Gravel- Variante entlang des Flussbettes Richtung Süden. Hier erstreckt sich ein für Flora und Fauna sehr wertvolles Biotop und für uns eine schier endlose Schotterpiste durch eine einsame Kies-Wüsten-Landschaft. Die Piste fordert von uns volle Kraft und Konzentration- der Schotter ist tief und manchmal recht grob. Auch hier kam ich mit dem Bottecchia, im Unterlenker fahrend, gut durch. Ein Zufluss, dieser hatte tatsächlich Wasser, durchquerten wir an einer Furt und behielten trockene Füße. Noch ein Single- Trail durch etwas dichteres Gebüsch und dann kamen erste Anzeichen von Zivilisation. Bei einsam gelegenen Höfen habe ich immer ein ungutes Gefühl wegen Wachhunden- aber es blieb ruhig.
Endlich wieder die Vororte von Pordenone.
Eine nachhaltig schöne, spannende, herausfordende Gravel- Tour.
Leider habe ich irgendwo mein Garmin abgeworfen und nicht wieder finden können- am Bottecchia ist ansonsten alles heil geblieben.
Nun kann es langsam in die Berge gehen- die Bergtauglichkeit, Übersetzung und Bremsen/ Rahmen bei den Abfahrten testen.
Mezzomonte, ein kleiner Anstieg vom Flachland einen halben Berg hinauf in die Friaulischen Dolomiten. Der Alpenrand ist hier relativ steil abfallend- kein Tal, dass den Berg einschneidet. Prozentzahlen zweistellig, oft 13-15 %. Genau richtig für meinen Bergtest. Fazit fahrbar- aber die Trittfrequenz ist bedrohlich niedrig! Abfahrt kein Problem!
Nach diesem kleinen Test konnte ich mir vorstellen, mit dem Bottecchia auf dem gefürchteten Monte Zoncolan zu fahren. Schon vor unserem Urlaub im Friaul hatte ich mir dieses Ziel gesteckt- jedoch wusste ich noch nicht mit welchem Rad, mit welcher Übersetzung. (.....also 42/28 war die minimale Kettung!)
Die Fahrer des Tour Magazins fahren das "Superlativ der Bergstraßen" mit 30/27 bzw. 34/29. Steil, steiler, Monte Zoncolan
Allerdings fahren sie die Härteste der drei Auffahrten, die Westauffahrt von Ovaro.
Ich wähle natürlich die Leichteste, die neue Straße aus Osten. Aber auch hier sind die letzten 4 Kilometer, die mit der alten Straße zusammenführen, mit drei Rampen und bis zu 23% furchteinflößend.
Eine genaue Beschreibung kann man bei Quäldich.de nachlesen.
"Im Jahr 2003 wurde der Monte Zoncolàn erstmals vom Giro d'Italia
besucht, als die Ostanfahrt den Schlussanstieg der zwölften Etappe
bildete. Zwar fuhren die Fahrer auf der neuen Straße, aber für die
letzten vier Kilometer gibt es nur die alte: Bei 23 % Steigung kam
selbst der Etappensieger Simoni beinahe zum Stillstand."
Bildquelle: quäldich.de |
Es folgten nun mehrere Berg-Touren:
Mit dem Zug fuhren wir über Udine nach Carnia, um uns die etwas öde, flache Anfahrt von Pordenone in die Berge zu sparen. Hier, wo der Fiume Fella und der Tagliamento zusammen fließen, war ich ein Jahr zuvor schon mit Klaus bei TransAlp Rando. Bei unserer Königsetappe querten wir hier den Fluss und ich war beeindruckt von der gewaltigen Steinwüste, wo ich einen See erwartet hatte.
"Bei Carnia ist der Radweg eine Baustelle- der Track führte wohl auf die Straße. Wir aber folgten zunächst der Bahntrasse so endete der Radweg für uns mit einer kleinen Crosseinlage, bevor wir aufund ob ich mit dem Bottecchia den Zonkolan besteigen konnte, einer langen Behelfsbrücke den Fluss querten. Das Tal verbreitete sich hier , wo mehrere Flüsse zusammen fließen und den Fuime Tagliamento bilden, zu einer gewaltigen Steinwüste."
Inzwischen haben wir uns mit den Steinwüsten der Flüsse Meduna (s.o.), Cellina und Tagliamento beschäftigt und wissen nun, dass der Fiume Tagliamento der König der Alpenflüsse, Europas letzter ungezähmter Fluss ist.
Auch dieses Mal queren wir die Steinwüste auf der Behelfsbrücke und fahren nach Tolmezzo zu einem zweiten Frühstück, bevor wir dann den Anstieg zum Sella Chianzutan in Angriff nehmen. Auf 11,7 überwindet man bei 5,8% 675 Hm. Ein Rollerberg- gut gewählt um reinzukommen. Bevor es richtig los geht muss ich noch einen Hausbrandt Kaffee trinken. Wir finden eine Bar in der die Zeit stehen geblieben schien- Neil Youngs Heart of Gold klang aus der Anlage und Bob Marley blickte von der Wand.....
Oben angekommen, erwartete uns ein Skulpturengarten- ansonsten war der Sella nicht sonderlich spektakulär. Eine schöne Abfahrt folgte nun bis zuletzt hinunter in die Friulische Tiefebene. Auf halben Weg hielten wir noch einmal, denn es war schon wieder Mezzogiorno und wir hatten Hunger.
Im unteren Teil hielten wir noch öfter an, um staunend in die tiefen Schluchten des Torrente Azino zu schauen....
Clauzetto, wie auch die anderen Orte, die an der SP22 oberhalb der Friaulischen Tiefebene liegen, werden auch "Balcone sul friuli" genannt. Auch hier halten wir immer wieder mal an, um den weiten Blick über die Ebene und den Tagliamento zu genießen.
Weitere Bergtouren folgen.
Zunächst vom schönen Ort Cividale del Friuli (Tip von Aldo) nach Osten an die Grenze zu Slovenien.
Überall begegnen uns Spuren von vergangenen Giro- Etappen; rosa Plastikblumen, rosa Fahrräder und Namen auf der Straße. So fahren wir auch hier einmal mehr auf den Spuren der Profis. z.B. 19 Etappe 2022 mit Start in Marano Lagunare dem Geburtsort von Aldo.
(Habe ich eigentlich schon mal erwähnt, dass es hier bei Aldo das beste (Friulische) Eis in Ostholstein gibt?)
Auf dieser Tour entlang der Slovenischen Grenze allerdings, gibt es keine Einkehr, wie erhofft- nur Steigung.....
Nach einem kleinen Rennen mit zwei E-MTB-lern, fahren wir fast in einen Hungerast. Zum Glück erst am höchsten Punkt der Tour. Später in der Abfahrt finden wir eine Trattoria- was für ein Glück! Ausgiebig machen wir hier Mittagspause und in Cividale dann ein Gelato, nachdem wir uns im Fiume Natisone abgekühlt haben.
Die nächste Tour führte uns hinauf nach Piancavallo. Eine steile Rampe hinauf zum ersten Skiort mit Schneekanone, wie man bei Quäldich.de lesen kann:
"Er ist weder der größte noch der schönste noch der bekannteste italienische Skiort, aber dafür der erste, der mit Schneekanonen ausgerüstet wurde."
Insgesamt sind es 14 Kilometer und die ersten 6 davon haben 9 % im Schnitt. Die Straße ist breit und gut asphaltiert. Heftig die der Anstieg- vergleichbar mit den ersten 10 Kilometern des Monte Zoncolan auf der neuen Straße.
Fazit: fahrbar aber auch hier ist die Kurbelumdrehung erschreckend niedrig
Es ist etwas diesig- so können wir die ca. 50 Kilometer entfernte Adria nur erahnen. Oben angekommen, ist es schon wieder Mittag....
Eine weitere Tour führt uns von Conegliano über den Passo di San Baldo nach Belluno und zurück. Bemerkenswert nicht nur, weil wir hier auf den Spuren des diesjährigen Giro und des TransAlp Rando fahren, bei dem wir zum zweiten Mal im Dunkeln und ohne Stopp an dieser schönen Stadt und Gegend vorbei fahren....
Dieses Mal nicht- eine schöne Altstadt auf einem Berg gelegen und ein leckeres Mittagsmenü in einer Trattoria. Es beginnt, wie angekündigt, zu regnen.
Bemerkenswert ist auch die Rückfahrt mit Gewitter und Starkregen. Da es warm ist, macht es richtig Spaß. Weiter südlich ist es noch trocken und wir hoffen, dass wir uns trocken fahren können, bevor wir uns später wieder in den klimatisierten Zug setzen. Es gelingt, während wir ziemlich schnell ins Tal hinunter rasen entlang der SS51 di Alemagna, die wohl mal eine wichtige Alpenquerung ermöglichte, bevor die Autobahn gebaut wurde.Und das sieht man der Straße auch an, mit ihren vielen Restaurants und Hotels, leider leerstehend und leicht verfallen. Auch die historische Stadt Vittorio Veneto hat diesen Charme. Die dunklen Wolken hatten wir ständig im Nacken und , als wir in Conegliano noch ein Eis essen, beginnt es tatsächlich wieder zu Regen.
Kehrentunnel am Passo san Baldo |
Belluno, die schöne Stadt |
Nun wurde es langsam Zeit für den Aufstieg zum Zoncolan- nicht nur, weil sich unser Urlaub im Friaul dem Ende näherte.
Wieder fuhr ich mit dem Zug bis Carnia- hielt dieses Mal nur kurz in Tolmezzo für einen Cafe' - und fuhr dann weiter Richtung Plöckenpass. Das kannte ich noch vom TransAlp Rando. Bis Sutrio sind es 17 km mit ca. 250 Hm, die ich aber kaum merke- es rollt gut- eigentlich erst bei der Abfahrt merke ich, dass es hier deutlich Steigung hat. ich kann es kaum erwarten, in den Anstieg zum Zoncolan zu fahren.
Von der Plöckenpass Straße biegt man links ab, überquert den Torrente But und ist gleich in Sutrio im Anstieg.
Doch wo genau ist der richtige Einstieg. Von Sutrio kann man sowohl die neue als auch die alte Passstraße nehmen. Die letztere will ich auf keinen Fall und fahre irgendwie an beiden vorbei..... 3 Kilometer umsonst gemacht....
Als ich dann endlich drin bin, auf der neuen Straße, geht es gleich mit 9 % gut zur Sache. Quäldich.de hat recht;
"Die als Zubringer zum 1400m hohen Skigebiet Monte Zoncolan gebaute Strasse misst knapp über 10 Kilometer, ist breit und in neuerem Zustand, und ohne enge Serpentinen eignet sie sich hervorragend als Abfahrt. Nur da und dort geht die Steigung über 10 %, ansonsten ist die Straße nicht schwer zu fahren"
Tatsächlich ist der Anstieg gut zu fahren- erst als ich die Skistation erreiche, wird es ernst. In drei steilen Rampen geht es nun hinauf- aber auch dazwischen hat es Steigungsprozente von deutlich über 10 %. Diese nutze ich zum "Ausruhen". Die drei Rampen bauen aufeinander auf und werden immer steiler bis zuletzt 23%.
Die Letztere kann ich nur noch in Serpentinen im Schritttempo fahren. Aber ich bleibe im Sattel und muss nicht absteigen. Damit hatte ich eigentlich nicht gerechnet.
So ein schönes Rad an legendärer Stelle!
Ich genieße die Abfahrt- zügig will ich nun zurück nach Carnia und halte dieses Mal nicht in Tolmezzo. Der Zug ist gerade weg und warten möchte ich hier nicht, zumal Carnia der wohl einzige Ort den ich hier in Italien gesehen habe, an dem es keine Bar gibt !? Also weiter hinunter, jetzt nur noch leicht abfallend den Tagliamento entlang Richtung Tiefebene. Will ich den Zug in Gemona bekommen, habe ich noch Zeit für eine Pause- die Flasche ist leer! Ich halte in Venzona, einer hübschen "alten" Stadt !? Eine typische Altstadt- doch alles ist neu und sauber!?
Später habe ich erfahren, dass Venzone 1976 durch ein Erdbeben nahezu komplett zerstört wurde. Ich trank hier lediglich ein alkfreies Bier und füllte meine Flasche auf.
In Gemona wollte ich noch nicht anhalten und so fuhr ich immer weiter bergab bis Udine.
Ich hatte lange hin und her überlegt, ob ich das Bottecchia behalten kann und wie, bzw. wo ich es unterstellen kann. Denn ein Transport mit dem Zug zurück war ja nicht möglich.
Doch am Ende hatte ich mich entschieden, das Rad wieder zurück zu bringen zu dem freundlichen Radhändler. Da er keine Räder verleiht, hatte er mir angeboten das Bottecchia nach unserem Urlaub ihm wieder zu verkaufen.
Ich denke, ich habe mit dem Rad viel erlebt und behalte es in guter Erinnerung und so war ich am Ende sehr zufrieden, als ich das Rad wieder zurückbrachte.
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