Der erste Tag
Die Wetterprognosen waren also nicht so berauschend und am Abend zuvor hatten wir noch darüber geredet, den Start um einen Tag zu verschieben- viele Italiener würden es sicher so machen. Auf jeden Fall wollten wir pünktlich starten, ein paar Meter rollen, um uns dann in ein Cafe´ zu setzen und auf gutes Wetter zu warten. Natürlich war dies nicht wirklich eine Option für uns.
Auf dem Piazza Arancia gab es einen Marmorbrunnen umringt von Löwen- da war er wieder „the lion“- Guitar Ted hatte Trans Iowa mit einem Löwen verglichen im letzten Jahr. Doch dieser sah doch ganz kuschelig aus, oder?
Zum ersten Mal erzählte ich nun auch Klaus, dass ich den Tuscany Trail auch als Revanche für Trans Iowa fahren „müsste“ und er meinte, dann müsste ich ja finishen, denn sonst würde es nie wieder gutes Wetter bei solchen Brevets geben. Ich hatte also eine Mission.
Langsam füllte sich nun der Platz mit dem fahrenden Volk- 527 Teilnehmer waren gemeldet. Die meisten fuhren MTBs, wie der Veranstalter empfohlen hatte, es gab aber auch Crosser und ein paar Fatbikes. Vermutlich gab es aber nur einen Teilnehmer mit Cantilever- Bremsen!
Der Untergrund war zwar nass aber es regnete nicht und der Himmel war gar nicht so dunkel. Trocken starten- das ist viel wert.
Ein paar Fotos vom Start:
Wir hatten Nils nicht getroffen am Start- der kam uns dann auf den ersten Metern entgegen; er hatte, glaube ich, verschlafen und/oder die Strecke zum Start unterschätzt.
Zu dritt gingen wir als Letzte auf die Strecke, zogen aber auf den ersten flachen Kilometern bis …., wo der erste Anstieg des Tages wartete, zügig am langgestreckten Feld vorbei.
Das war ein tolles Bild: 500 Fahrer schlängeln sich auf den engen Straßen scheinbar endlos dahin.
Und unübersehbar, wir fahren direkt in das drohende Unwetter hinein.
Vielleicht sollte ich hier schon mal erwähnen, dass ich aus Gewichtsgründen, auf jeglichen Regenschutz verzichtet hatte. Die meisten anderen Fahrer hatten da weitaus mehr Gewicht geladen und außerdem war es ja warm. (…Grad)
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Wir trafen Sven aus Berlin (in blau) |
Kurz vor dem Anstieg fing es dann an zu regnen- im Nu wurden die Wege zu Bächen, die Bäche zu reißenden Wasserläufen.
Die rötliche Färbung des herunterfließenden Wassers erinnerte an Bilder aus dem Fernseher von Überschwemmungskatastrophen.
Das Durchfahren des Wasser war kein Problem- wir waren sowieso schon völlig durchnässt- und machte sogar Spaß. So etwas hatte ich bislang nur einmal ähnlich bei unserer Bungsberg CTF erlebt. Wenn es nur keine Erdrutsche gab, würden wir da schon durchkommen.
Der Anstieg, zunächst noch asphaltiert, wurde immer steiler und wir dadurch wärmer. Hier verloren wir Nils, der früh schon absteigen musste. Er wollte sich sowieso Zeit nehmen für die Tour. Die MTB-ler kurbelten ihre kleinen Gänge und wir, in Ermangelung dieser, (ich fuhr 34/32- also immer noch eine Über-setzung, das war mir wichtig) konnten auch hier wieder überholen, bis es so steil wurde, dass ein Fahren kaum mehr möglich war.
Auf Asphalt folgte Beton, dann Trail. Ich habe gelernt, dass, wenn es am steilsten ist, die Wege betoniert und mit Querrillen versehen werden, vermutlich, weil sonst selbst die bergtauglichsten, allradgetriebenen Fahrzeuge hier nicht mehr fahren könnten. Der anschließende Trail war steinig und natürlich schlammig.
Oft mussten wir absteigen und schieben.
Hier einige Bilder vom Aufstieg.
Endlich waren wir oben. Erster :-)
Im Abstieg- mehr Rutschen als Fahren, war Klaus, nicht nur wegen der Bremsen im Vorteil.
Ein zum Wasserfall mutierter Bach musste durchwatet werden- spannend. Hier kamen uns Wanderer entgegen, die wir leider etwas ausbremsten- sie machten Platz zum Vorbeifahren- was sie wohl beim 500sten Fahrer gedacht haben.
Der Regen hatte aufgehört, es wurde wärmer und es wurde nebelig.
Manchmal dachte ich, jetzt bin ich oben, denn es ging wieder bergab- doch es dauerte nicht lange, dann stieg der trail wieder bergan. Und so ging es ständig- rauf, runter und wieder rauf. Ich hatte das Gefühl, es nahm kein Ende.
Nun war ich auch über längere Passagen allein unterwegs. Klaus hatte ich schon im Aufstieg verloren und lag vor mir. Ein Fahrer rief mehrmals sehr laut nach seinen Mitfahrern- etwas unheimlich bei dem Nebel. Gut, hätten wir den track nicht gehabt, wir wären sicherlich hoffnungslos herumgeirrt.
Darüber wurde es irgendwann dunkel. Der gefahrene Schnitt lag so zwischen 10 und 12 km/h. Im nebligen Dunkel behinderte die Stirnlampe die Sicht mehr, als das sie nutzte. Jedoch ohne konnte ich den track nicht sehen. Teilweise war die Sicht unter 3 Metern und das bei dieser schlammigen, mit Steinen gespickten Abfahrt. Jedoch nun war ich sicher, dass diese die letzte lange Abfahrt war, die letztlich nach Montale ins Arnotal führte. Hier würden wir den Apennin hinter uns lassen und damit auch die längsten, höchsten Anstiege der Tour. Ich musste oft vom Rad- ich glaube, ich schob mehr, als das ich fuhr.
Klaus rief an, da war es kurz vor 22 Uhr. Er habe eine Pizza gegessen, das Restaurant wollte schließen und wo ich denn wäre. Ich kam gerade vom trail wieder auf Asphalt und freute mich. Doch leider nicht lange, denn die Straße war so dermaßen steil, dass ich sie nicht fahren konnte. Meine Bremsbeläge waren auch nahezu verbraucht- das machte mich auch nicht sicherer.
Klaus rief ein zweites Mal an, er war weiter gefahren und wartete in einer Eisdiele. Hier sollte es das beste Gelato Italiens geben, die wollen aber auch bald schließen. Davon beflügelt, lief ich weiter die Abfahrt hinunter bis ich im Flachen war. Nun beeilte ich mich- das Eis lockte- ich musste auch was essen.
Bald traf ich Klaus, die Gelateria öffnete noch einmal für mich die Türe.
Nun fragten wir uns, wie es weiter gehen sollte. Wir hatten gerade einmal 145 km geschafft, waren komplett nass und wurden langsam kalt. Ein Zimmer hatten wir nicht vorbestellt und so blieb uns nichts anderes übrig, als weiter zu fahren. Ein Mountain Biker kam und fragte nach dem Weg. Er navigierte mit seinem Smartphone, dessen Akku, wohl auch durch die Nässe, leer war.
Er hatte ein Zimmer in Prato gebucht und ein bißchen beneidete ich ihn darum.
Ich überlegte kurz, ob ich ihn fragen sollte, ob er uns mit in sein Zimmer nehmen würde, beließ es aber dabei. Hinter Prato fuhren wir lange entlang von Flüssen oder Kanälen. Irgendwann musste ich mal anhalten. Ich sah zwischen Weg und Fluss waren zwei Zelte aufgebaut und jede Menge Tische und Stühle.
Neben den Zelten saßen ein Mann und eine Frau mit einem Hund.
Ich habe nicht lange überlegt und während ich hinunter ging, legte ich mir schon ein paar Wörter Italienisch zurecht. Schließlich waren Angela und ich ja im Frühjahr in Arezzo zum Sprachkurs.“ E´possibile dormiere?“, wobei ich meine Stimme am Ende des Satzes hochzog, wie wir es für einem Fragesatz gelernt hatten.
Ein bißchen erwartete ich wohl, dass ich mit Hundegebell verjagt würde, jedoch die Beiden waren sehr freundlich und hilfsbereit. Sofort verstanden sie unsere Lage, zeigten uns einen Platz im Zelt, bauten extra zwei Feldbetten auf und nahmen ihre mit nach draußen, damit wir ungestört wären. Die Frau brachte mir noch ein Bettlaken zum Zudecken und weil sie nur eins davon hatte, bekam Klaus ihren Frottee- Bademantel und jeder eine Flasche Wasser.
Es hatte wohl so stark geregnet, dass der Boden voller Pfützen war. Ich fühlte mich gleich sehr wohl- dem konnte auch das oliv- grün unserer Behausung nichts anhaben. Ich schlief schnell und gut. Leider konnte wohl Klaus kaum ein Auge zu machen- sei es wegen des Stromaggregats oder wegen dem Flutlicht mit dem der Platz beleuchtet wurde.