1001 Miglia Italia
17.- 23. 08. 2008
Prolog
Bis kurz vorm Start alles sehr relaxt.
Über die Unterkunft am Start wollte ich mir keinen Kopf machen und so packte ich am Freitag mein `sich selbst aufbauendes´ Zelt, meine `sich selbst aufblasende´ Matte, einen Schlafsack und ein Kopfkissen ins Auto, um am Samstagmorgen 6:00 Uhr pünktlich mit Rüdiger in Neumünster zu starten.
Rüdiger hatte sich um die Strecke und Vignetten gekümmert und die Fahrt verging wie im Flug. Wir hatten uns viel zu erzählen.
19:00 Uhr waren wir dann im Startbereich, die Veranstalter bauten gerade die Anmeldung ab. Wir verständigten uns mehr schlecht als recht darauf, dass am nächsten morgen um neun die Anmeldung auf irgendeinem Platz in der Innenstadt wieder geöffnet sein würde. Nun war noch die Übernachtungsfrage zu klären.
Fermo führte uns auf einen Schulhof, keine 200 m entfernt vom Start, auf dem schon Mannis Wohnmobil und drei Zelte standen. Er zeigte uns noch die Duschen und eine Turnhalle, in der wir auch auf Matten übernachten könnten. Alles ganz einfach und relaxt hier einen Tag vor dem großen Ereignis. Wir begrüßten schon mal die auftauchenden Zelt- und Wohnmobilbewohner und fingen an unser Nachtlager zu bereiten. Ein bißchen mußte ich dem Zelt doch auf die Heringe helfen aber insgesamt bin ich doch sehr zufrieden mit dem neuen Zelt.
Später kamen auch Michael und Andrea, die sich schnell überreden ließen, das geplante Hotelzimmer mit der weichen Hochsprungmatte in der Halle zu tauschen. Gemeinsam gingen wir ein paar hundert Meter zum nächsten Restaurant.
Sonntag früh, wir wollten gerade mit den Rädern zur Anmeldung, kamen auch die anderen Schleswig- Holsteiner. Sie hatten in einer Herberge in Milano übernachtet. Tagsüber ließen wir es ruhig angehen: kleine Stadtbesichtigung ( Prolog ) durch den Ort, Sachen packen und immer wieder mal ein bißchen hinlegen.
Unser Start sollte um 22:00 Uhr sein. Also noch Zeit genug, um noch mal zu viert Essen zu gehen. Anschließend wollte Michael seinen Rucksack packen. Da ich schon fertig war, wollte ich mir den Start der `Unter-100 h-Fahrer´ ansehen- da war es kurz vor neun.
Bis dahin war alles ganz relaxt.
Hätte nicht gedacht, dass so viele Fahrer sich zutrauen unter 100 zu fahren!
Bis ich begriff, es gibt gar keine anderen Startgruppen und wir sollten auch darunter stehen, verging einige Zeit. Schnell zurück und den anderen Bescheid geben.
Der Start war einfach vorgezogen worden und nun wurde es hektisch.
Aber wir schafften es noch rechtzeitig gemeinsam mit den anderen SH-lern zu starten.
Die erste Nacht; der erste Tag.
( nicht so locker, wie gedacht )
Nach 200 m ging die Strecke nach rechts- der Track auf meinem GPS zeigte nach links. Das fängt ja gut an. Ein paar Kilometer später, Track und Pfeile waren sich nicht immer einig, ging die Gruppe schon auseinander. Bloß nicht jetzt schon anhalten und grübeln. Einfach intuitiv weiter fahren, wie ich es auch sonst mache.
Bald darauf sind wir nur noch eine kleine Gruppe aber als wir aus den Wirren der Vorstädte um Milano raus sind kommt von hinten eine riesige Gruppe, die bald zu uns aufschließt. Wegen der Unfallgefahr versuche ich ganz vorne zu fahren, genauso machen es meine Kollegen aus SH. Den anderen scheint es zu gefallen. Wie wird man nun so eine riesige Gruppe los, damit wir in Ruhe unsern Schnitt fahren können? Bis Fombio, der ersten Kontrolle, die einfach irgendwo am Streckenrand aufgebaut ist, schaffen wir das nicht. Danach allerdings kommt endlich Ruhe und Rhythmus ins Feld, das jetzt glaube ich nur noch aus uns Fünfen besteht.
Im Vorfeld haben wir uns oft gefragt, ob wir es schaffen, die ersten 400 flachen Kilometer zusammen zu bleiben. Michael hat sich schon nach vorne abgesetzt- ihm war das Tempo um 1 km/h zu langsam.
Manchmal rätseln wir etwas um den richtigen Weg- ich vertraue da jetzt ganz dem GPS- Gerät. Stefan ist davon noch nicht ganz überzeugt- hält an manchen Kreuzungen an, um sicher zu gehen. Nachdem wir den Po überquert haben, steht der Mond, laut Bernd, plötzlich nicht mehr da, wo er stehen sollte. Unsicherheit macht sich breit und auch ich rätsele kurz, ob wir den Track gerade nicht wieder zurück fahren. Zum Glück hat das Gerät ja auch einen Kompass und dieser zeigt genau Süd- Ost an. Also muß der Mond verkehrt sein. Naja- die Müdigkeit scheint auch nicht unschuldig.
In Colorno hat die Bar geschlossen. Also machen wir uns im Ort auf die Suche nach einem alternativen Stempel. Ich halte mich da raus und nutze die Pause an der Brücke um etwas zu essen. Keine Chance im Ort irgendeinen Stempel auf zu treiben. Wir beschließen bei der nächsten Gelegenheit dies nach zu holen.
Wir rollen also weiter bis plötzlich meine Augen zu fallen wollen. Nützt alles nichts- ich muß anhalten und einen Kurzschlaf halten. Rüdiger geht es genau so- die anderen fahren weiter.
Am Wegesrand gibt es Holzbänke. Ich öffne das Ventil meiner `sich selbst aufblasenden´ Matte und für eine ½ Stunde machen wir es uns auf der Holzbank so gemütlich wie es geht.
5:50 Uhr. Das Handy weckt – ich bin ausgeschlafen. Jetzt noch einen Kaffee, das wäre perfekt. Wir fahren aber noch fast eine ganze Stunde, bis wir endlich eine Bar sehen. Hier bekommen wir nicht nur den ersehnten Kaffee mit Gebäck sondern auch den fehlenden Stempel. Eine kleine Gruppe Dänen pausiert auch hier- diese werde ich bis ins Ziel immer wieder mal treffen.
Erfrischt und gestärkt machen wir uns ans Tagewerk. Ca. 300 km liegen noch vor uns, bis wir in Apecchio sind, wo ich meine erste richtige Schlafpause geplant habe.
Massa Finalese, km 261, erreichen wir um 9 Uhr 10.
Dort ist ein riesiges Zelt aufgebaut. Es gibt Getränke, Schinkenbrote und leckeren, sehr süßen Kuchen. Ein großer Schluck von dem rötlichem Saft- urrgs- das ist ja Wein! Den Rest lasse ich lieber stehen und hoffe, dass mir der Schluck nicht schaden wird. Manni sehe ich hier zum ersten Mal wieder. Er will gerade weiter als wir ankommen. Er hat das gleiche Tagesziel- will nicht bummeln. Peter sitzt uns beim Essen schlafend gegenüber.
Die nächsten 160 km sind noch flach. Rüdiger und ich wechseln uns regelmäßig ab, wie beim Paarzeitfahren. Das klappt reibungslos auch ohne Worte- wir fahren jetzt ruhiger. Die Tageshitze setzt uns doch mehr zu als gedacht und als wir in Savignano ankommen, können wir die 420 km doch spüren. Bis hier her habe ich, genau wie geplant, einen 21 er Schnitt. Nur es war doch nicht so locker, wie gedacht.
Lange halten wir uns nicht auf, denn von nun an geht es nur noch Bergauf und ab.
Gleich der erste Anstieg nach San Leo versprach laut Profil fast 1000 Hm. ich sage noch zu Rüdiger: „ Mensch, bis jetzt kann man das ja gut fahren“, als wir links abbiegen und der Anstieg richtig steil wird. Und so steil bleibt es auch bis oben; endlos scheinen die Serpentinen den Weg bis zur Passhöhe hoch zu schrauben. Inzwischen wird es auch Dunkel. Meine neue B&M IQ Dynamolampe hatte sich in der ersten Nacht gleich verabschiedet aber die Kombination aus Batterie- LED- Lampe ( Trelock ) für Fernsicht und die Stirnlampe ( Lucido ) für den Nahbereich waren völlig ausreichend. Wenn ich jetzt noch an mein anderes Laufrad in Andreas Auto kommen könnte, würde ich diesen Anstieg ein paar Gramm leichter hochfahren, so dachte ich. Aber Michael, und damit auch seine Begleitung, waren schon weit voran und ich sollte sie auch erst im Ziel wieder sehen.
Es gibt immer wieder grandiose Ausblicke auf San Marino mit seinen Tausend Lichtern. Endlich oben angekommen, hatte ein ortsansässiger Verein eine Zusatzkontrolle eingerichtet. Es gab Pasta und Getränke. Eigentlich hatte ich keinen Hunger aber man muß ja.... Nach dem Essen gucken Rüdiger und ich uns nur kurz an und ich rolle schon wieder meine Matte aus. 1,5 h Schlaf wollen wir uns gönnen. Die 50 km bis Apecchio würden wir dann ausgeschlafen in Angriff nehmen.
Es ist recht frisch hier oben aber ich schlafe sofort ein. Als das Handy uns weckt ist die Zusatzverpflegung abgebaut- keiner außer uns beiden ist noch da. War das Wirklichkeit oder..... . Wir schütteln uns einmal setzen uns aufs Rad und nun folgt eine rasante Abfahrt. Einmal stocke ich kurz: der Track will mich auf einem kleinen Schotterweg über einen Bergrücken nach Norden führen. Die Straße geht weiter geradeaus und vor Allem Bergab. Später macht die Straße eine Wendung- wir fahren durch einen kleinen Ort und von rechts oben stößt ein kleiner Schotterweg zu. Ich hätte also, dem Track folgend eine Abkürzung fahren können. Das wäre ein Abenteuer geworden! Abenteuerlich werden allerdings dann zwei Auf- und Abstiege kurz vor Apecchio. Richtig steil bergauf im Slalom, nicht weil die Übersetzung ( 39/30 ) nicht ausgereicht hätte, sondern weil man hier um die vielen Löcher, teilweise mit Sand gefüllt herum fahren muß. Bergab nicht besser, eigentlich eher schlimmer, weil man das Rad nicht laufen lassen kann. Die Hände ermüden vom Bremsen.
Die schlechteste Wegstrecke, die ich je gefahren bin.
Apecchio, km 511, Dienstag, 03:05 Uhr
Die Erwartungen bezüglich der Schlafmöglichkeiten in Apecchio erfüllten sich nicht. Die Kontrollstelle eine Tankstelle mit entsprechendem Bodenbelag. Der Fußboden des kleinen Cafés, das zur Tanke gehört, war natürlich schon belegt. Ich war wohl so müde, dass ich nicht lange überlegt habe- weiß auch gar nicht wo Rüdiger verblieb.
Als um 5:00 Uhr planmäßig das Handy weckte war ich froh, dass ich auf meiner weichen Matte ( 700 gr. ) in meinem Schlafsack ( 200 gr. ) aufwache. Rüdiger finde ich schlafend an einem der kleinen Tische sitzend. Ich wecke ihn nicht- esse erst einmal ein Croissant- der Kaffee `dopio con Latte´ macht mich gleich hellwach. Unter meinem Tisch liegt jemand in einem Aluminium beschichteten Beutel! Hoffentlich erstickt sie nicht. Bald wachen aber alle umliegenden auf und es herrscht Aufbruchstimmung.
Der zweite Tag ( 39/30 reichte gerade )
Auch treffe ich Manni wieder- er will gerade aufbrechen. Wir tauschen uns kurz über unsere Tagesziele aus und stellen fest, dass diese identisch sind. Die einzig logische Einteilung, findet er; das finde ich auch. Was die Veranstalter sich bei der Auswahl der Kontrollstellen mit Schlafgelegenheit, Dusche und Taschentransport gedacht haben, weiß ich nicht. Mir war aber gleich nach Veröffentlichung der Infos über die Kontrollstellen klar, dass ich mich nicht davon beirren lassen wollte, meine Pläne umzuschmeißen. Zur Not wäre ich eben auf mich allein gestellt.
Passignano war der nächste Kontrollort, 80 km mit 2 Anstiegen, trennten mich also noch von meiner ersten Tasche, also der Aussicht auf eine Dusche und frische Klamotten.
Einige weitere, köstlich schmeckende, Café dopio con latte und Rüdiger und ich rollten frisch und guten Mutes von der Tanke. 10 km bergauf und dann gabs eine richtig lange Abfahrt. 35 km relativ flach und dann der lange Anstieg, der uns noch vom Lago Trasimeno trennte. Oben auf der Passhöhe, ca. 600 m ü NN, bot sich uns ein atemberaubender Anblick weit über den See und darüber hinaus. Ein Gasthaus mit Terasse kam da genau richtig. Hier muß man einfach anhalten und verweilen; den Ausblick genießen. Hinunter zum See gings in rasender Abfahrt. Passignano ist ein richtiger Urlaubsort. Man muß sich richtig durch Verkehr quälen. Dann die Turnhalle mit unserer Tasche. Duschen, kalt duschen. Richtig frisch bin ich jetzt- auch mit frischen Klamotten, Das fühlt sich doch gleich ganz anders an. Im Gepäck habe ich auch zwei Flaschen Energiedrink.
Die eine leere ich in einem Zug. Ich mag das ja überhaupt nicht aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass es bei mir wirkt- zumindest für ein paar Stunden. Von der anderen Flasche biete ich Rüdiger an; er wirkt zum ersten Mal etwas müde. Ich fühle mich jetzt voller Energie und dränge auch etwas zum weiterfahren. Gleichzeitig versucht ein Italiener lautstark eine Gruppe zu formieren und ich denke, warum nicht: die 65 bis Todi sind relativ flach, nur am Ende wartet ein Anstieg zum Kontrollort, und vielleicht können wir vom Fahren in der Gruppe profitieren. Die Gruppe läuft überhaupt nicht. Ich merke gleich, dass wir besser alleine fahren können, andere denken wohl auch so. Nur der laute Italiener redet und redet und geht mir richtig auf den Nerv.
Jetzt weiß ich auch warum er die Gruppe gesucht hat. Am Ende des Sees gehts auch erstmal wieder länger bergauf- doch nicht so flach die Etappe, wie ich gedacht hatte, und der Italiener fällt zurück. Er ruft noch „the girl, the girl“ und tut so als ob er wartet. Zwei Tage später, irgendwo an einem Anstieg, meine Flaschen sind fast leer und sollten gefüllt werden, höre ich ein Rufen: „Aqua, Water“. Ich erkenne die Stimme sofort, fahre schnell vorbei und gebe Zeichen, dass meine Flaschen noch voll wären.
Ich glaube es war in Marciano, als wir beschließen eine Pause einzulegen. Wir sehen ein kleines Selbstbedienungs- Restaurant. Sieht so aus als ob hier überwiegend Arbeiter ihre Mittagspause verbringen. Ich stelle mir einen großen Salat und Vorspeisenteller zusammen, eine große Flasche Mineralwasser und eine Cola. Sehr lecker dieses Essen- hab ich in bester Erinnerung behalten. Ich bin immer noch voller
Energie und merke kaum, als Rüdiger mitten im Satz die Augen zu fallen. Ich biete ihm den Rest meines Energiedrinks an, hoffe, dass dieser bei ihm genauso wirkt wie bei mir, dränge abermals ein wenig zum Aufbruch. Die Kontrollzeit an meinem Etappenzielort Pitigliano rückt mir jetzt immer mehr ins Bewußtsein. Noch ca. 200 km sind es bis dort und die sind gespickt mit ständigem Auf und Ab. Ich wußte, dass diese Etappe mit ihren 320 km und ca. 2800 Hm die Härteste des Rennens werden würde.
Bis jetzt lief alles, gut auch wenn wir etwas hinter meiner Planzeit lagen. Eine längere Pause oder gar schlafen würden wir uns aber nicht leisten können. Kontrollschluß in Pitigliano war 5:45 Uhr am Mittwoch morgen- ich wollte um 1:00 Uhr dort sein, um wenigstens 4 h zu schlafen. Der Anstieg nach Todi war steil aber nicht endlos. Ich wollte gleich weiter. Eine kurze Schußfahrt und gleich wieder in den Gegenanstieg. und was für einer!! Mit deutlich über 10% Steigung ging es stumpf geradeaus den Berg hinauf. Meine 39/30 reichte gerade- lieber hätte ich 30/39 gehabt.
Am Ende dieser Steigung gab es ein kurzes Verschnaufen damit wir danach noch mal so steil und lang bergauf fahren konnten. Irgendwann mitten in der Steigung mußte Rüdiger absteigen um sich hinzulegen. Die Müdigkeit hatte ihn übermannt. Da ich zu diesem Zeitpunkt noch fit war, trennten sich hier leider unsere Wege.
Doch diese Fitness hielt auch nicht mehr ganz lange an. Ein Italiener, den ich traf, freute sich schon auf einen Schlafplatz in Corchiano. Ich erzählte ihm von der Schließungszeit in Pitigliano und dass er nicht lange würde schlafen können. Seine Enttäuschung muß wohl erstmal groß gewesen sein, doch insgesamt war er froh, dass ich ihn darüber aufgeklärt hatte und bedankte sich mehrmals bei mir dafür. Er hätte sonst sicher unwissentlich die Schließungszeit verschlafen.
Auch als ich ihn zwei Tage später wieder treffe, bedankt er sich noch einmal. Gut, dass wir darüber geredet haben. Ich denke so wie so an nichts anderes mehr, als dass ich um 1:00 Uhr in Pitigliano sein will, denn ich brauche Schlaf: sonst würde ich den nächsten Tag nicht überstehen.
Vor Corchiano gibt es ein längeres Flachstück. Ich kaufe in einem Geschäft Cola und andere Getränke und zum ersten Mal eine kleine Salami. Dies ist jetzt der beste Energieriegel nach all dem süßen Zeug. Als ich in Corchiano an der Kontrolle bin wird es dunkel. Ich esse Honigmelone mit Schinken, mache mich aber bald wieder auf den Weg.
Ich traue dem Weg aber nicht recht. War ich richtig aus der Kontrollstelle herausgefahren?- fahre ich wieder zurück?- nein, dass kann ja nicht sein- dann müßte es ja bergab gehen. Ein Blick auf den Kompass zeigt, dass ich nach Norden fahre- das kann ja nicht ganz verkehrt sein. Als ich mal kurz am Straßenrand anhalte, hält auch ein Wohnmobil, das Begleitfahrzeug zweier Slovenen. Sie erkundigen sich, ob alles in Ordnung sei und ich bin jetzt sicher noch auf der Strecke zu sein.
Mit den Slovenen und ihrem Begleitfahrzeug teile ich mir die Nacht. Der Anstieg nach Canepina scheint endlos und ist hammerhart. Als ich zur Passhöhe komme, steht das Wohnmobil schon da und dieses Mal halte ich auch an und rede ein wenig mit den Fahrern. Sie bieten mir Cola aus einer Riesenflasche an. Dann fahre ich auch stundenlang alleine durch die Vollmondnacht, die ich trotz aller Anstrengung noch genießen kann. Teilweise ist nur das Grillen der Zirkaden zu hören- manchmal sogar so laut und nah, dass ich denke einen Defekt am Rad zu haben. Manchmal scheint mich eine Grille ein Stück zu begleiten. Die Ortschaften, die ich durchfahre, scheinen wunderschön zu sein und sind auch sehr belebt in dieser Nacht.
Manchmal fahre ich auch ein Stück mit den Slovenen zusammen, doch unser Rhythmus ist nicht der gleiche. Irgendwann werde ich sehr müde und ich denke ich müßte eine ½ h Schlafpause einlegen. Auf einer Brücke, an eine Leitplanke gelehnt, finde ich keinen Schlaf wegen vorbei fahrender Autos. Später an einer Bushaltestelle kommen laufend laute Jugendliche vorbei und ich habe Angst mein Rad könnte geklaut werden. Als die beiden Slowenen wieder mal vorbei fahren, schwinge ich mich schnell aufs Rad und fahre hinterher. Irgendwann bin ich wieder alleine. Ich weiß, dass ich rechtzeitig in Pitigliano vor Kontrollschluss sein werde- ich weiß aber auch, dass ich nicht viel Schlaf bekommen würde.
Um 3:15 komme ich nach dieser schweren Etappe ins Ziel. Ein mittelalterlicher Ort- schön- aber wo kann ich schlafen? Dem Kontrolleur mit seinem Stempel muß man fast die Hand führen- so verschlafen ist er. Der Kontrollposten ist ein ca. 6 qm großer Raum- Fußboden schon belegt. ( Einer der Schlafenden muß wohl Manni sein ) Hinter der Tür finde ich noch einen kleinen Spalt, wo sich meine Matte selbst aufblasen kann. Bevor ich mich hinlege, treffe ich noch Jens und Bernd im Kommen oder Gehen; ich glaube das wissen die beiden selbst nicht so genau. Später berichtet Jens, sie hätten in einem Hauseingang gelegen!? 2 ¼ h schlafe ich tief und fest hinter der Tür auf meiner Matte den Schlafsack über den Kopf gezogen.
Der dritte Tag (Im Hinterzimmer der Pizzeria ist es kühl)
Das Handy weckt um 5:30 Uhr: wieder das gleiche Prozedur: Ventil der Matte öffnen und zusammenrollen, das muß ich ihr noch beibringen, dann alles am Rad verstauen, aufsitzen und weiter. 400 m weiter Cafe´dopio con latte mit Gebäck- alles läuft ganz automatisch ab. An diesem Morgen bin ich nicht wirklich fit und ausgeschlafen. Bald darauf bin ich wieder auf der Landstraße.
Dieser dritte Tag sollte, laut Plan, mein Ruhetag werden: nur 240 km mit etwa 4000 HM. ( einmal Supercup in Bimbach ) Es gab auch noch einen Plan B, aber daran war nach dem gestrigen Tage so wie so nicht mehr zu denken. Kontrollschluß in S Quirico D´Orcia war 10:50 Uhr, hier konnte es noch einmal eng werden- Danach würden sich die Zeitfenster öffnen, wußte ich, und die Kontrollzeiten würden kein Thema mehr sein. Jedoch die Etappe hatte nur 66 km und 1100 Hm.
Mit einem 17er Schnitt etwa kam ich um 9: 25 Uhr dort an. An diese Etappe kann ich mich nicht erinnern, wie gesagt, alles lief ganz automatisch, fast als hätte ich diese Etappe verschlafen, ab. Kurz vor der Tanke, an der wir stempeln sollten, wollte ich mich nicht mehr überholen lassen, denn ich dachte diese wichtige Kontrolle müßte eine Checktime- Kontrollstelle sein. Lutz hatte mir am Tag zuvor schon die Platzierungen per SMS durchgegeben.
Also lege ich einen Endspurt hin und... die Kontrollstelle ist zu- es gibt gar keine Kontrolle in diesem Ort, meinen die anderen Fahrer, die jetzt auch ankommen.
Ich wollte aber unbedingt einen Stempel. Also fuhr in den Ort um ein Café zu suchen. Der Wirt war interessanter Weise sehr gut über unsere Tour informiert.
Auch er wußte, dass ich hier keinen Stempel in mein Roadbook bekäme: 15 km weiter, sagte er, gäbe es eine Geheimkontrolle. Des Öfteren fiel mir auf, wie gut die Einheimischen informiert waren über die Mille Miglia- in Deutschland würde es doch niemanden interessieren, wenn 200 Verrückte auf Ihren bepackten Rennrädern durchs Land fahren. Ich ließ mir trotzdem den, für mich so wichtigen, Kassenbon mit Ortsangabe und Uhrzeit geben und fuhr weiter.
Hinter dem Ort eine Schußfahrt- Huii- und genau so steil wieder rauf. Nach 5 km müßte der Abzweig zur Schotterpiste kommen. Diese Schotterpiste, hier „strade bianche“( weiße Straße ) genannt, gehört zur Strecke der legendären Eroica, einem Rennen, das auf historischen Rädern mit entsprechender Kleidung auf entsprechendem Straßenbelag gefahren wird. (Bei der 205 km Strecke sind es 110 km auf unbefestigten Wegen: www.eroica.it )
Es gibt auch eine Alternative auf Asphalt aber natürlich will ich Eroica fahren. Diese 10 km waren dann eine willkommene Abwechslung, die mich auch wieder wachgerüttelt haben. Auf dieser Strecke taucht man ganz in die toskanische Landschaft mit ihren Zypressenalleen und Landhäusern, meist auf Hügeln gelegen, ein. Eigentlich müßte man anhalten, um zu genießen, denn die Strecke erfordert volle Konzentration und Kraft. Es gibt hier einige sehr steile, wenn auch kurze, Rampen, bei denen das Hinterrad durchdreht, wenn man versucht im Stehen zu fahren, und genau so steile, einmal bis15% steile Abfahrten. Dann, bevor man wieder auf Asphalt stößt,- ich bin am Ende doch froh den Schotter hinter mir zu lassen, die angekündigte Geheimkontrolle.
Weiter geht es in Richtung Gaiole in Chianti. Das sind noch gut 50 km. Dort bekomme ich meine zweite Tasche; das heißt Dusche, frisches Trikot und die Möglichkeit etwas Schlaf nach zu holen. Unterwegs ruft mich Rüdiger an und wir verabreden vage, dass ich in Gaiole auf ihn warte. Ich fahre nun durch die Mittagshitze; warum nicht jetzt schon pausieren, wenn ich in Gaiole so wie so warten würde. Bevor ich, ich glaube es war in Rapolano, eine Pizzaria finde, fahre ich ein Stück mit Manni zusammen. Im Hinterzimmer der Pizzaria ist es kühl. Ich esse, trinke etwas und schlafe etwa eine ½ h im Sitzen.
Als ich in Gaiole ankomme sehe ich Jens und Bernd. Sie wollen weiter und machen auf mich einen frischen Eindruck. Gleich möchte ich mich ihnen anschließen in der Hoffnung, dass der Frischeeindruck auf mich abfärbt und Plan B kam mir wieder in den Sinn. Rüdiger versichert mir am Telefon, das es in Ordnung ist und Bernd meint, warum ich nicht schon unter der Dusche wäre. Sie warten also und ich beeile mich mit Duschen und Klamottentausch. Ich nehme mir aber noch Zeit den Sattel zu tauschen. Meinen eigentlichen Langstreckensattel, der weichste Terry den ich habe, sollte mir die restlichen 600 km angenehmer machen. Auch eine weitere Flasche Energy-Drink ist im Gepäck. Die ganze Pause hat höchstens eine ¼ h gedauert.
Als wir um ca. 16: 00 Uhr los rollen fühle ich mich sehr erfrischt.
3 km fahren wir auf der gleichen Strecke zurück, auf der wir gekommen sind. Jens wird etwas mißtrauisch. Nach weiteren 6 km geht es endlich wieder bergauf in Richtung Castellina und ich merke gleich, dass wir nicht das gleiche Tempo haben.
Bernd wird immer langsamer, bis er verkündigt anzuhalten und sich schlafen zu legen. Bei Jens sind es eher die Abfahrten, die er sehr vorsichtig und langsam fährt; einmal scheint er kurz vorm Einschlafen. Da Jens meint, das käme davon, weil er lange nichts gegessen hätte, halten wir im nächsten Ort an einem Lebensmittelladen. Anschließend läuft es wieder, wie ich es von unseren vielen gemeinsamen Trainingsfahrten gewohnt bin. Das Profil vor Augen kommt mir plötzlich eine Idee; die Abfahrt vom zweiten Berg dieser Etappe könnte ich ja auch morgen früh hinunter rollen und oben auf der Passhöhe ein Hotelzimmer nehmen.
Kaum zu Ende gedacht, merke ich die ganze Müdigkeit der letzten Tage und die Idee wird mir sehr sympathisch. Bloß, wie erkläre ich das Jens! Ich kann es nun kaum mehr abwarten, bis wir die Passhöhe, ich glaube es war in Castelfafi, erreichen. Inzwischen ist es längst dunkel geworden. Rechts der Straße liegt ein Restaurant in dem schon zwei Randonneure sitzen. Jens wird mit ihnen weiterfahren, während ich dem Wirt zu einem Apartment in der Altstadt folge. Bevor ich mich in das breite, weiche Bett lege, lasse ich noch heißes Wasser in die Badewanne.
Der vierte Tag (ein lautes Hin und Her und Feierstimmung)
Aah! Tat das gut. Der Ort schläft noch, als ich mich aus dem Hotel und hinaus auf die Landstraße schleiche; vorbei an dem Restaurant, auch hier alles dunkel, in Richtung Forcoli, meinem gestrigen Etappenziel. Ich fühle mich wie neu und rausche nur so die Abfahrt hinunter, während es langsam hell wird. In der Bar Pasticceria Antica Piazza stempele ich um 6:00 Uhr, genau 1 h hinter der Planzeit. Hier frühstücke ich kurz, bevor ich die vierte Etappe starte. Das Profil verspricht ca. 5500 Hm auf 250 km bis zum Etappenziel, dem Passo Pianazze- und dabei sind die ersten 85 km noch flach- bzw. bis Castelnuova leicht ansteigend.
Da die Zeitfenster der Kontrollen aber jetzt keine Rolle mehr spielen würden, sehe ich den Bergen der Abruzzen gelassen entgegen. Also rolle ich mich langsam ein- dies ist ja mein eigentliches Terrain- und ich komme gut voran. In Altopascio trinke ich noch eine Kaffee und beantworte die eingegangenen SMS- fast wie Postkarten schreiben im Urlaub. Die Straßen hier in der Nähe von Lucca sind recht groß und viel befahren. Irgendwo an der Strecke sehe ich einen Radsportladen, wo ich den Reifendruck wieder auf 8,5 bar bringe.
Das Profil in meinem Roadbook zeigt vor Castelnuova einen kräftigen Anstieg- ich wußte aber durch eine SMS von Michael, dass hier der GPS- Track nicht mit den Pfeilen und dem Roadbook übereinstimmt. Gerne folgte ich hier den gelben Pfeilen, die mir diesen Anstieg ersparten. So blieb diese Etappe eine reine Flachetappe. Viele Gruppen von Radsportlern kamen mir entgegen- einige grüßten und einige nicht. Da die letzteren meist schneller unterwegs waren, nahm ich an, dass diese wohl Profis sein müßten. Vor Castenuova gab es einen Stau- im Ort war Markt.
Die Kontrollstelle war eine kleine Bar gleich am Anfang der „Fußgängerzone“. Einige Randonneure standen draußen an Tischen- es herrschte so etwas wie Volksfeststimmung. Stempeln konnte man am Tresen, an dem schon fleißig Wein ausgeschenkt wurde. Eine wunderschöne Bar- hier hätte ich gerne länger verweilt. Vielleicht besuche ich diese Bar eines Tages wieder, denke ich. Nun will ich aber bald weiter, denn der erste lange und harte Anstieg steht bevor. Vorher muß ich mich noch zu Fuß über den Markt schlängeln. Eine Alternative sehe ich nicht, denn der ganze Ort scheint mit Marktbuden voll gestopft.
Bevor ich mich allerdings richtig im Anstieg befinde, pausiere ich kurz, um den Rest meines Energieriegels in Form einer Salami zu essen. So gestärkt, kann er kommen, der Passo Carpinelli. Der Anstieg ist nicht gleichmäßig, man kommt nicht in einen Rhythmus. Es gibt sogar zwischendurch wieder Abfahrten, bei denen man die eben erklommene Höhe wieder zunichte macht. Doch irgendwann komme ich doch oben an- hier werde ich sogar begrüßt und heran gewunken.
Zwei Italiener sitzen auf einer Bank, essen genüsslich ein Brathähnchen und trinken dazu Wein. Sie fordern mich auf, auch den Wein zu trinken- dieser wäre aus der Region, besonders gut und ich müsse ihn probieren. Ich möchte eigentlich nicht, lasse mich allerdings dann doch überreden, einen Schluck zu probieren. Zum Glück blieb dieser ohne Folgen.
Er versucht mir dabei etwas von „ Stefan, Stefan“ zu erzählen und es dauert eine Weile bis ich begreife, er meint „Stefan“. Das lag nicht am Wein- ich rechnete einfach in dem Moment nicht damit. Stefan hätte einen Defekt am Rad- die Hinterradnabe sei gebrochen und er würde versuchen in Aulla Ersatz zu bekommen. Nun hatte ich ein Zwischenziel. Gerne hätte ich Stefan dort getroffen und, wer weiß, vielleicht hätte ich ihm auch helfen können. Es gab erst einmal eine rasante Abfahrt und auf dem längeren Flachstück bis Aulla traf ich einen italienischen Cyclo- Tourist, der in der gleichnamigen Zeitschrift von der Mille Miglia gelesen hatte und nun hier auf der Strecke fuhr, in der Hoffnung Randonneure zu treffen. Wir tauschten uns kurz aus und fuhren dann ein Paarzeitfahren bis wir in Aulla eintrafen. Er steuerte sogleich einen Wasserspender am Straßenrand an, wo wir uns erfrischten. Von Stefan leider keine Spur. Ich gönnte mir einen Kaffee und ein Eis in einer Bar im Schatten, bevor ich wieder weiter rollte. Der Italiener fuhr wieder zurück, um den nächsten Randonneur ein Stück zu begleiten.
Bis Brugnato, der nächsten Kontrollstelle waren es noch ca. 30 km, die sich entlang eines Tales relativ flach dahin schlängelten. Die Kontrollstelle lag vor dem Ort, auf einer Verkehrsinsel strategisch günstig gelegen. Eine Tourist- Info gab es dort auch- doch dort war man scheinbar nicht informiert über die vielen Radfahrer, die hier hielten!? Vor einer Landkarte stehend, fragte ich nach dem weiteren Weg und er erzählte mir etwas von Sehenswürdigkeiten der Region und wie man dort mit dem Rad am besten hinkäme- ein anderes Mal gerne- heute mache ich keine Abstecher von der Route. Ich fahre also auch nicht hinein in den historischen Ort um Verpflegung zu kaufen, sondern gleich links wieder auf die Hauptstraße.
Hinter einem Tunnel halte ich an, um den Rest der Salami zu essen, der allein mich sicher nicht über den Passo Cento Croci bringen würde. Ca. 25 km steigt die Straße langsam an, um dann auf weiteren 15 km 700 Hm unter sich zu lassen. Bevor es richtig steil wird, kommt, wie gerufen, auf der rechten Seite eine Tankstelle mit angeschlossenem kleinem Café. Es gibt einen Kühlautomaten voller Getränke, auch Energy- Drinks und Cola. Dazu bestelle ich zwei große Sandwiches. Die Wirtin lehnt sich über die Theke und redet etwas- ich bin mitten in einem Road- movie.
Bevor ich weiter fahre, entrümpele ich meine Gepäckträger- Tasche und entledige mich jeglichem überflüssigen Gewicht. Ich kann nicht gerade sagen, dass ich den Berg hoch fliege. In meiner Erinnerung bleibt dieser Anstieg als der härteste der ganzen Tour. Passo Cento Croci ist der erste der vier Spitzen über 700 m, die auf der Etappe von Brugnato bis zum Passo Pianazze zu erklimmen sind.
Ich glaube es ist der zweite Anstieg, der gerade frisch geteert wurde. Der Asphalt ist noch weich und hat eine enorme Haftfähigkeit. Jedes Steinchen bleibt natürlich am Reifen kleben. Zum Glück bekomme ich keinen Platten. Auch fährt ein offizielles Begleitfahrzeug jetzt jeden Pass mit, wartet oben, verteilt Wasserflaschen an die Fahrer. Von denen sind jetzt einige auf der Strecke, das gibt ein gutes Gemeinschaftsgefühl.
Auch auf dem zweiten Pass mache ich eine kurze Verschnaufpause – hier sehe ich, glaube ich, Peter zum ersten Mal wieder. Während ich später von der dritten Spitze hinunter rolle, wird es langsam Dunkel. Im Tal unten ist es sogar richtig kühl und in der Pizzaria, in der ich anhalte, um einen weiteren Café Dopio zu trinken, dagegen angenehm warm. Auch hierher würde ich dann später einmal wiederkehren und eine Pizza aus dem Steinbackofen essen.
Nur noch der letzter Anstieg zum Passo Pianazze trennte mich von meinem Tagesziel. Ich hatte den Eindruck, dass jetzt immer mehr Randonneure vor oder hinter mir im Anstieg waren. Kurz vor 22 Uhr konnte ich mein Roadbook abstempeln lassen- eine Stunde vor meiner Planzeit. Ich hatte also an diesem Tag gut 2 h aufgeholt- gute Idee, die letzte Nacht im Hotel verbracht zu haben. Oben auf dem Pass sah es aus wie auf einer Alm. Es gab ein Restaurant, in das ich mich alsbald begab, nachdem ich mich an der Kontrolle nach Jens, Stefan und Michael erkundigt hatte. Leider konnte man mich nicht verstehen.
Im Lokal war es brechend voll- ein lautes Hin und Her und Feierstimmung. Ich verkrümelte mich in die hinterste Ecke, wo wieder einmal mehr die bekannten Dänen saßen. Manni tauchte auch irgendwann auf und ich bat ihn an meinen Tisch. Ich hatte Pizza bestellt, die ich bis auf den dunklen Rand aufaß. Manni aber zitierte eine Randonneurs- Regel, §§soundso, den ich noch nicht kannte, nach dem man alles auf zu essen habe. Da ich mich weigerte, aß Manni die dunklen Krusten.
Vorher hatte er schon mit dem Wirt verhandelt. Freundlicherweise überließ er uns für diese Nacht seine Moped- Garage und legt sie auch noch mit Decken aus.
„Also, warum sitzen wir hier noch?“ Als wir gerade zur Garage herüber gehen wollen kommt Jens zur Kontrolle- er will aber bald weiter fahren. Auch Peter und Ernesto (?) kommen an und zusammen mit den beiden machen wir es uns in der Garage gemütlich- sogar unsere Räder können wir mit hinein nehmen. Die Handy- Wecker werden auf 5 Uhr gestellt. Ich bin wieder einmal froh meine Matte und den Schlafsack dabei zu haben. Die anderen Drei liegen unbedeckt auf dem harten Boden.
Letzter Tag-Grande Finale (am Grab des Nationalhelden)
4:15 Uhr weckt ein Handy- meines ist es nicht und auch die anderen wollen es nicht gewesen sein!? Ich nutze die Gelegenheit, etwas früher als geplant, auf dem Rad zu sitzen, denn ich fühle mich ausgeschlafen. Die anderen wollen liegen bleiben. Im Restaurant gibt es schon Kaffee- es ist deutlich ruhiger geworden, als in der Nacht zuvor. Ich bestelle einen Caffe dopio mit Gebäck und setzte mich noch kurz an den Tisch. Einige Randonneure kommen gerade an, holen sich jetzt den Stempel im Restaurant. Einer von ihnen ist Bernd- er will schlafen und ich zeige ihm meine Schlafstätte mit der er gleich einverstanden ist. Die anderen werden sich wohl wundern, wenn sie wach werden.
Der Straßenbelag bei der Abfahrt, so hatte man in der Nacht schon berichtet, sollte sehr schlecht sein- er war tatsächlich noch schlechter!! Zu den vielen Löchern im Asphalt gesellten sich noch in längs Richtung aufgeworfene Wellen im Belag. Gut, dass ich jetzt ausgeschlafen war. Weiter unten, als wir auf eine andere Straße abbogen, wurde es besser. Nun folgte eine sehr lange, wenn auch nicht ganz so steile Abfahrt. Eine Pass- Straße hatte diese letzte Etappe noch zu bieten, den Passo Penice und zur letzten Kontrolle hin, zum Mausoleum Fausto Coppi, gab es einen kleinen Anstieg- die letzten 130 km aber führten brett-flach zum Ziel. Nach den letzten Tagen also eine vergleichsweise einfache Etappe.
Unten angekommen, suchte ich in Bettola, glaube ich, einen Bankautomaten auf und entdeckte einen sehr schönen Marktplatz, an dem ich ansonsten vorbeigefahren wäre. Da hier aber noch alles zu schlafen schien, setzte ich diesen Ort mit auf die Liste, der Orte, die ich später mal wieder besuchen will, und meine Fahrt fort. Immer weiter bergab, bis es plötzlich, rechts ab, noch einmal sehr steil wird. So was Steiles war ich schon gar nicht mehr gewohnt, denn dieser Anstieg erinnerte an die Steigungen hinter Todi, die ich nur mit Mühe mit meiner kleinsten Übersetzung fahren konnte.
Der Kopf sagte ich müsste bald wieder essen doch der Körper wollte eigentlich nicht mehr. Richtig appetitlos war ich, dass hatte ich schon am Passo Pianazze gemerkt. Auch mein geliebter Kaffee war mir irgendwie über. Trotzdem hielt ich an einem, am Supermarkt angeschlossenen, Kaffee, bestellte aber dieses Mal Kakao mit Gebäck. Dieser dickflüssige Kakao schmeckte mir sogar sehr gut.
Anschließend begann die Straße wieder langsam an zu steigen. Ich beschloss auf der heutigen letzten Etappe nur noch Bananen und Spaghetti zu essen- Spaghetti hatte ich noch nicht. Beides würde beruhigend auf den Magen wirken- Energieriegel würde ich gar nicht mehr hinunter bekommen.
Die Auffahrt zum Passo Penice war ja nun schon Routine und die Vorstellung, dass diese die letzte lange Steigung sein würde, ließen mich munter bergauf fahren. Oben angekommen, bestellte ich ein Eis, drei Kugeln, und setzte mich in die Sonne.
Anschließend ging es wieder lange bergab, wobei ich immer Ausschau hielt Bananen und/ oder Spaghetti zu bekommen. Bis Viguzzollo blieb die Suche allerdings erfolglos und auch hier war nichts zu sehen, wo ich hätte einkehren können. Da ich bis hier her schon wieder eine Weile (45 km) gefahren war, beschloss ich auf jeden Fall am Mausoleum Fausto Coppi etwas zu essen. Eine längere Mittagspause mit einem Teller Spaghetti stellte ich mir vor. Sicher gibt es dort am Grab des Nationalhelden Coppi jede Menge Touristen und entsprechende Infrastruktur.
In Viguzzolo ging es also links ab, ein Abstecher von der geraden Linie zum Ziel.
Natürlich muss man einmal im Leben am Grab von Fausto Coppi gestanden haben und am besten noch nachdem man vorher 1500 km gefahren ist aber muß man denn vorher noch auf einer Acht die Trainingsrunden von Fausto kennenlernen?- doch man muss. Als ich endlich den Passo Fausto Coppi erklommen habe und wenig später auch am Mausoleum stehe, denke ich doch leise für mich- jetzt reichts.
Eigentlich hatte ich gar nicht mehr mit solchen Steigungen gerechnet und es gab auch kein Restaurant oder ähnliches. Also fuhr ich gleich weiter. Auf die Acht hatte ich jetzt keine Lust mehr, dafür musste ich umso steiler bergauf, sparte aber wohl ein paar Meter. Zurück in Viguzzolo führte die Strecke gar nicht mehr in den Ort selber, wo ich essen wollte sondern bog vorher links ab. Nur keine Zusatzkilometer mehr fahren- im nächsten Ort würde ich schon meine Spaghetti bekommen.
An einer Ecke im nächsten Ort traf ich auf Antonio. Gemeinsam fuhren wir weiter. Antonio fuhr recht schnell und ich war nicht sicher, ob ich das Tempo würde halten können. Doch ich gewöhnte mich wieder an höheres Tempo und führte dann auch.
Zwei Orte weiter wollte ich dann doch endlich etwas essen; wir fanden allerdings nur eine kleine Bar. Wir tranken jeder zwei Cola- auf der Theke stand eine Schale mit Erdnüssen, die sich alsbald leerte.
Weiter kamen wir zu zweit, regelmäßig in der Führung wechselnd, schnell voran. Über 30 km/h war jetzt wieder möglich- die Straße war tatsächlich völlig flach.
Ich rechnete aus, dass, wenn wir so weiter führen, ich vielleicht punktgenau zu meiner Planzeit, nämlich 18:20 im Ziel sein könnten. Mit Michael hatte ich vorher gewettet, wer von uns beiden am nächsten an der eigenen Planzeit sein würde, hätte gewonnen. Wir überquerten den Po auf einer Eisenbrücke und später fuhren wir noch über eine Pontonbrücke über einen Seitenarm. Lange zogen sich nun Zwiebel- und Knoblauchfelder entlang des Weges hin. Es war gerade Erntezeit.
Später, als wir langsam in die Vororte von Milano kamen, zeigten die Pfeile einmal geradeaus, der Track aber führte nach links. Ich folgte dem Pfeil und Antonio, der sich sicher schien. Weiter verloren sich aber dann die Pfeile und ich versuchte wieder in Richtung Track zu kommen. An einem Kreisel tauchte plötzlich wieder ein Pfeil auf und wir folgten. Ich war mißtrauisch, denn wir fuhren Richtung Ost. Schnell lud ich den ersten Track von Sonntagabend und siehe da, wir befanden uns genau auf diesem- allerdings von Nerviano weg führend.
Wir überlegten kurz, ob wir die 1600 km noch einmal fahren wollten und drehten dann um. Mir kam es vor, als fuhren wir im Zick- Zack- Kurs, mehr oder weniger um Nerviano herum. Eine spätere Auswertung des gefahrenen Tracks zeigte aber, dass wir gar nicht so schlecht navigierten. Kurz vor dem Ziel wollte Antonio noch etwas trinken und hielt an einer Bar. Ich bestellte ein Eis.
Ich wundere mich noch heute darüber, wie wenig ich auf dieser, immerhin 270 km langen Tagesetappe gegessen hatte. Normalerweise geht das gar nicht ohne mindestens einen Hungerast. Woher nimmt der Körper diese Energie auch noch am fünften Tag den schnellsten Durchschnitt zu fahren??
Um 18:40 Uhr bin ich dann mit 20 minütiger „Verspätung“ im Ziel.
Es gibt einen kleinen Applaus, wenig später eine Urkunde und eine Medaille.
Ich treffe Jens und Stefan, die ungefähr seit einer Stunde im Ziel sind, von Antonio und mir wird noch ein Zielfoto geschossen und nun ist die Mille Miglia wirklich zu Ende.
Fünf Tage war ich mal Rad fahren!
Und was nun? Ich gehe erst einmal zum Zelt um zum letzten Mal meine Matte auszurollen. Im Ziel gibt es dann noch etwas zu essen, ein Bier gönn ich mir auch dazu und dann…. Wache ich erst am nächsten morgen wieder auf.
Epilog
Und am Samstag?
Rüdiger liegt in seinem Zelt nebenan.
Auf dem Weg zum Auto komme ich an Mannis Wohnmobil vorbei. Seine Frau bietet Kaffee oder Tee an und lädt mich ein, mich zu setzten. Nach und nach sammeln sich jetzt alle Randonneure, die hier im Zelt oder in der Halle geschlafen haben beim Wohnmobil. Ein schöner Abschluss- vielen Dank noch einmal dafür an Manni und seine Frau.
Mittwoch, 20. August 2008
1001 Miglia 2008
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