Donnerstag, 12. Februar 2015

TBB V 3- 2. Etappe . Erst die Füße dann die Schokolade

Erfrischt, gestärkt und mit trockenen Klamotten machten wir uns um 15:00 Uhr auf den Weg, um die zweite Etappe zu fahren. Bis Gerswalde hatte es keine großen Schwierigkeiten gegeben und so hatten wir, bedingt durch den gefrorenen Boden, einen guten Schnitt. Sogleich fing ich an, die Ankunftszeit zu berechnen in der Annahme es würde so weiter laufen...

Doch in der halben Stunde Pause hatten sich die Bedingungen komplett geändert!?
Die warme Luft war jetzt offensichtlich auch am Boden angekommen.
Gleich, als wir aus Gerswalde hinaus fuhren, merkten wir den Unterschied; Schnee und Eis waren nun so aufgeweicht, dass man nicht mehr darauf fahren konnte- beides brach weg, der Reifen rutschte unkontrollierbar in alle Richtungen. Klaus wollte es genau wissen und nahm noch einmal eine Bodenprobe.
Das Gelände war hier sehr wellig. Wir schoben hier teilweise mehr, als dass wir fuhren. Ok, dachte ich, das ändert sich bestimmt bald.
Jedoch gab es dann Passagen mit Schneeverwehungen, die gar nicht zu fahren waren- wir schoben lange. Inzwischen wurde es auch dunkel, die Luft wurde immer wärmer und der Wind kräftiger.
Es gab dann auch mal ein Stück, wo es wieder rollte, eine Ortsdurchfahrt auf Asphalt war  komplett frei- Juchhu. Die Freude währte nicht lange.
Am Ende wieder Schneeverwehungen- ohne Absprache kehrten wir um.
Wir suchten eine Umfahrung auf der Straße- diese führte zunächst stramm gegen den Wind. Es rollte, da kann der Wind blasen, wie er will.
Noch gar nicht weit weg von Gerswalde, meldete mein Körper schon wieder Pausenbedarf an. An einer Kreuzung stand eine komfortable Bushaltestelle- da wir bislang nicht über den weiteren Verlauf gesprochen hatten, stoppten wir hier. Es war windstill in dem Häuschen, fehlte nur ein kleiner Ofen.
Jetzt erinnerten wir uns an die Notkekse, die Klaus am Start eingepackt hatte. Sie waren nicht leicht zu öffnen, wahrscheinlich der Grund, warum alle anderen sie liegen ließen- oder macht man das in Berlin so, wir sind ja vom Lande!?
Wie auch immer; sie schmeckten herrlich und gaben uns wieder Kraft zum Aufbruch. Vorher hatten wir noch auf die Karte geguckt, ob es eine sinnvolle Umfahrung des tracks auf Asphalt geben würde. Dem war nicht so und so machten wir uns wieder auf, nach kurzer Erholung auf der Straße und im Wartehäuschen, dem track zu folgen.
Dieser war nicht weit weg, die Straße nach Nordosten führte direkt dorthin.
Spannend- in völliger Dunkelheit kamen wir an Orte, an die sich hier sonst kein Fremder verirrt, so kam es mir fast wie im Märchen vor.
Ein Mann mit Hund kam uns entgegen, überhaupt bellen jetzt von überall Hunde. Die Wege werden immer weniger- teilweise zeigt uns nur der track, wo es lang geht. Sicherlich eine tolle, einsame Gegen- jedoch, wir haben zu kämpfen, um voran zu kommen. Unser "Vorankommen" hat nicht mehr viel mit "Radeln" zu tun. Immer wieder müssen wir absteigen, schieben bis wieder ein Stück fahrbar ist. Dann kommen wir wieder auf einen etwas breiteren Weg, der am Ende sogar beleuchtet ist. Dies wirkt wie eine Erlösung, der Ort erscheint wie im Paradies.
Von hier aus hätte man auch wieder eine sinnvolle Umfahrung auf Asphalt gefunden, jedoch Klaus fährt nun ein paar hundert Meter weiter vorne und er hat wohl nicht die Idee, den track zu verlassen. Ich quäle mich hinterher. Die Straßen sind jetzt zwar etwas offener, jedoch von der Sorte übelsten Kopfsteinpflaster. Klaus mag das ja, der fährt ja sogar freiwillig nach Roubaix. Also Klaus vorweg, und ich eiere hinterher und Klaus muss immer wieder warten. Da wo das Pflaster vereist oder voll Schnee ist, steige ich häufig ab. Auf dem Pflaster selbst habe ich das Gefühl, jeden Stein einzeln zu nehmen. Pflaster muss man mit Tempo nehmen, pflegte unser ehemaliger Vorsitzender zu sagen... ich rolle von Stein zu Stein. Keine Körperspannung mehr, die Schultern der Nacken schmerzen bei jedem Schlag. Doch, ein Ende ist abzusehen- es taucht ein Hinweisschild auf: Strasburg 6 Km. Dort ist unser nächster Stopp geplant.
Tanke, Phönix- Grill oder Grieche, war hier nicht die Frage.
Die Tanke macht das Rennen, denn die kommt zuerst.


19:00 Uhr- wir haben also 4 h für diese 50 km gebraucht!


Gut, eilig haben wir es nicht und in Anklam wartet das Auto nicht der Zug.
Jetzt erst einmal aufTANKEN!




Einmal mehr kommt mir diese Tanke wie eine rettende Oase vor. Heute ist Klaus schneller am Tresen- während ich noch meine trockenen Socken aus der Tasche krame. Mein rechter Fuß ist durch das Spritzwasser klitschnass geworden und eiskalt. Hier helfen hoffentlich die wasserdichten Socken von sealskinz. Rasch wechsele ich diese in der Hoffnung, dass sie halten, was sie versprechen, denn auch die Sohle ist vollgesogen, während Klaus schon bei Kaffee und Schokolade ist.
Erst die Füße dann die Schokolade!
Zunächst bestelle ich 2 Baguettes zum halben Spätkauf-Preis, einen Schwarztee und ein Doppel-Snickers- später noch Schokolade und einen veganen Energydrink. Die Füße werden langsam warm und ansonsten friere ich nicht. Die Tankwirtin fragt, ob die dünnen Jacken denn warm seien. Den ganzen Tag schon fahre ich nur mit Unterhemd und Softshell- Jacke- das reicht aus. Ich habe zwar noch weitere Möglichkeiten im Gepäck, jedoch benötige ich diese bis auf Wechselsocken und -handschuhe nicht.
Schnell sind wir uns einig, erklären den weiteren track für unfahrbar und fragen uns lediglich, ob wir den track westlich oder östlich umfahren. Wir entscheiden uns für West, das heißt, etwa bis zur Hälfte mit Wind  schräg von Vorne und ab Friedland dann schräg von Hinten- erst die Arbeit und dann...
Langsam verlassen wir die Oase.
Es rollt-es rollt!!, wenn auch zunächst stetig bergan.
Dazu kommt der stramme, eiskalte Gegenwind, so dass wir zunächst nicht wirklich schnell voran kommen. Friedland ist das Zwischenziel, danach knickt die Strecke nach Nord-Osten ab.


"Als angenehm erwieß es sich, daß die Ureinwohner am Samstagabend häuslich sind.
Überall sahen wir die Fernsehgeräte in den nächtlich erleuchteten Zimmern flimmern.
Die Straße gehörte jetzt uns , die Strecke schwenkte auf Nordost, so daß auch der Wind
unser Freund wurde." schreibt Klaus später.

Tatsächlich wurde unsere kleine Nachtfahrt jetzt etwas romantischer. Schnell vergessen waren die Strapazen der ersten 50 km der 2. Etappe, jetzt wo die Räder wieder rollten, die Straßen leergefegt durch Tatort und Co und die Sterne am Himmel zu sehen waren.
Hinter Friedland, jetzt mit Wind von schräg hinten, galt es zunächst den Kavelpaß zu bezwingen.
Ganz automatisch, drücke ich jetzt auch wieder mehr aufs Pedal. 35 Hm sind es wohl bis ganz oben und die sind richtig schön, gleichmäßig steigend. Puh, Paßhöhe erreicht.

Weiter schreibt Klaus:
"Es wurde leise um uns herum, in der Ferne sahen wir die roten Lichter der Windkraftanlagen
und hier und da die Laternen der Straßenbeleuchtung.
Die Kirchtürme in den Ortschaften, die wir durchfuhren, wurden wohlig warm angestrahlt.
So wurde es doch noch eine schöne Nachtfahrt.
Autofahrer die uns entgegen kamen, bremsten auf niedrige Geschwindigkeit herab.
Ganz vorsichtig fuhren sie an uns vorbei.
Es verunsicherte sie vermutlich die ungewöhnliche Erscheinung unserer LED Scheinwerfer.
Wir trugen jeder eine Helmleuchte, und einen, Gerald zwei, Leuchten am Lenker.
Kurz vor Anklam sah ich ein wildes rotes Blinken in der Ferne. Eine Baustellen-
Absperrung war es nicht. Nach kurzer Zeit konnte ich feststellen, daß es sich bewegte.
Dann war es weg.
Als ich näher kam wurde es plötzlich wieder sichtbar.
Es war ein echter Obdachloser, der mit seiner gesamten Habe durch den Vorort von
Anklam zog.
Er hatte seinen Karren, von hinten üppig, mit roten LED Lichtern bestückt."

Der Karren sah aus, wie ein kleiner Planwagen, lang genug um sich darin auszustrecken.
So hat er sein Bett immer dabei. "Aber glücklich sah er nicht aus." meinte Klaus.

Klaus fuhr nun häufig einige hundert Meter voraus, denn bei mir war offensichtlich die Luft raus.
Kurz vor Anklam kamen wir noch einmal zusammen. Klaus wollte der ausgeschilderten Alternativroute für Trecker folgen- voller Panik, dass dort wieder Kopfsteinpflaster sein könnte, widersprach ich vehement.
22:30 Uhr waren wir dann etwa in Anklam am Bahnhof, wo unser Auto mit Sitzheizung auf uns wartete.

2 Kommentare:

  1. Haben die Socken gehalten was sie versprachen?

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  2. Ja, denn es gab kein Wasser mehr von oben.
    Die Sohle war nass aber das Wasser ist nicht durchgedrungen- die Füße wurden schnell wieder warm.
    Gegen Spritzwasser von oben, helfen die Socken allerdings nicht ( siehe blogeintrag vom 14. Januar.
    Werde wohl noch Gamaschen ausprobieren.

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