Montag, 24. Juli 2017

999 Miglia Italia - Zwei "Ruhetage"


Als wir ausgeschlafen hatten, drei oder vier Stunden- ich weiß es nicht mehr, waren alle anderen Schläfer längst fort. Es kamen aber nun noch laufend neue Fahrer an.
Ich lies mir Zeit mit dem Aufstehen und Packen. Trank einen Kaffee am Pool des Fitness Clubs.
Ich denke so gegen acht- 1/2 neun saßen wir wieder auf dem Rad.
Vor uns lag nun ein "Ruhetag".
Von Tricarico über Montescaglioso nach Alberobello, knapp 180 km mit 2000Hm wollten wir fahren- eine nur 43 km und leichte Etappe bis Conversano noch anzuhängen, machte keinen großen Sinn, denn dort gab es keine Schlafgelegenheit.
Bevor wir los fuhren, hatten wir noch einmal unseren neuen Plan durchdacht und für gut und machbar befunden.
Deutlich entspannter fuhr ich jetzt- schaute bewusst auch mal nach links und rechts und fing an die Tour zu genießen.
Das Profil war nun weniger bergig. Eher wellig, zog sich der Track durch ein Tal nach Süd-Osten. Von dort kam der Wind und zwar gar nicht wenig.
Gegenwind mag ich ja. Es war trocken und es wurde schnell sehr warm.
Die Tasche mit den frischen Sachen in Montescaglioso sollte aber zunächst noch schwer erarbeitet werden- eine Rampe führte hinauf in den Ort, die war so steil, dass ich Serpentinen fuhr, um nicht stehen zu bleiben.
Es gab Rasierschaum in meiner Tasche aber leider keinen Rasierer.
Duschen und frische Klamotten- man fühlt sich danach wie neu.
Es war inzwischen sehr heiß geworden- dass mochte Volkers Schlauchreifen nicht, der in der Sonne geparkt war. Ich schaute mir den Wechsel des Reifens genau an- vielleicht fahre ich ja doch mal im Winter mit Schlauchreifen.
Zunächst nördlich über Matera und dann immer Richtung Osten der Küste entgegen. Wir sind jetzt ganz unten am Absatz des Stiefels.
Die Trinkflaschen sind bald leer- es ist sehr heiß hier in der Ebene- jedoch durchfahren wir keine Ortschaften. Bauerngehöfte- keine Wasserspender oder etwa eine Bar. Ich sehe eine Tankstelle etwas abseits vom Track- die Rettung?
Als wir ankommen, sehen wir zunächst eine verwaiste Bar und den Tankwart, der leider kein Wasser hat- nur Benzin.
Also weiter, so langsam wird es eng- ich muss trinken. Die Sonne knallt erbarmungslos und der Gegenwind trocknet mich aus.
Kurz vor San Basilo ein Dorf an der SS100, biegt der Track vorher ab durch die Felder in Richtung Mottola. Wir fahren  geradeaus, um dort unser Wasserglück zu versuchen. Die Oase, finden wir in Form eines kleinen Supermarktes auf einem Parkplatz direkt an der SS100. Ich bestelle ein "pane gigante con prosciutto e formaggio", viel Wasser und Grüner-Apfel- Saft "mela verde" und ein Glas grüne Oliven und das geht alles rein in den Körper - ohne Probleme- so leer bin ich offensichtlich.
Draußen vor dem Laden sitzen wir im Schatten, schlagen uns die Bäuche voll- toll so ein Brevet. Mir geht es richtig gut. Auch der Gedanke, dass wir "nur" noch 52 km vor uns hatten bis ins Tagesziel und dann richtig ausschlafen könnten ,nachdem wir dort abermals in einer Pizzeria uns den Bauch.....




Kurz bevor wir weiterfahren, kommen zwei Fahrer aus Norditalien, beide kurz vor dem Verdursten. Notfallmäßig reiche ich meine Wasserflasche.
Wir bleiben auf der SS100 und auf glattem Asphalt entwickelt sich nun ein Paarzeitfahren- es geht auch anders, stellen wir fest. Bis Mottola kommen wir zügig voran und dann geht es links weg, wieder auf Nebenstraßen bergauf durch ein Naturreservat und später durch die "Trulli"- Gegend. 

Diese einmaligen Häuser, die sich wunderschön in die Landschaft einfügen, bekommen wir nun lange zu sehen. Unser Track führt mitten durch diese ländliche Gegend- wie ein Märchenland. Beim Gucken vergesse ich manchmal, die schlechten Straßen und fahre nicht nur einmal in ein Loch.
Wieder beginnen Füße und Handgelenke zu schmerzen.
Grrr!

Gegen 20 Uhr sind wir dann, so früh wie lange nicht, am Ziel unseres Tages. Zügig bereiten wir unsere Schlafstätte und geduscht geht es dann ins Zentrum zum Pizza essen.

12 h für 180 km sind lang. Wirklich regeneriert bin ich noch nicht.
Bis hierher habe ich etwas mehr als die Hälfte des Brevets (870km) geschafft und dabei ca. 5,5 h geschlafen. Diese Zahl sollte sich in dieser Nacht etwa verdoppeln.
Auch war diese Tagesetappe zwar vom Profil her "facile", jedoch durch große Hitze, andauernden Gegenwind und den schlechten Straßen durchaus anspruchsvoll gewesen.



Der zweite Ruhetag klingt dann so: 
Alberobello- Conversano- Castel del Monte- Melfi
235 km mit 2590 Hm 

Auf dem kurzen Abschnitt bis Conversano war das  Beste, ganz eindeutig, das Frühstück, also die caffè lungo mit cornetti dolci an der Tankstelle am Wegesrand, besser noch als die lange Abfahrt hinunter zur Küste, denn ohne Kaffee geht bei mir nicht viel. Wir saßen pünktlich zum Sonnenaufgang wieder auf dem Rad und wollten möglichst lange die Morgenfrische nutzen.
In Conversano gab es ein zweites Frühstück beim hiesigen Radsportladen.

Gut 50 km weiter dann Altamura, das ist die Stadt des Brotes, "città di pane". Das klingt nach einer ausgiebigen Verpflegungspause. Gleich am Ortseingang, noch in der Steigung hoch zum Zentrum, entdecke ich eine Panetteria- Anhalten, bevor ich, wie so oft, an den besten Stellen vorbei fahre.
Neben der Panetteria gleich ein Früchteladen- ein Verkäufer, der gerade eine neue Kiste Aprikosen aus dem Kühlhaus geholt hat, verteilt diese zur Verkostung.
Er sieht uns wohl an, dass wir eine Erfrischung nötig haben. Drinnen kaufe ich gleich noch weitere dieser frischen, süßen Aprikosen und Tomaten.
In der Panetteria kaufe ich eine Stück einer Brottorte, einer Mischung aus Quiche und Pizza mit Schinken und Käse. In einer Ecke des Ladens kann ich mich setzen mit Blick auf die Straße. Weitere Randonneure kommen... Volker kauft Cola- die gibt es hier im Laden sogar gekühlt. Eigentlich ist noch vormittags aber draußen ist es schon richtig heiß und hier sitze ich gut. Ist doch Ruhetag heute.

Ruhetag heißt heute wohl eher: Speicher auffüllen und dabei locker pedalieren, ohne allzu viele Kalorien zu verbrauchen. Das geht natürlich bei dieser Strecke eigentlich nicht, zudem der Wind mal wieder stark von vorne kommt auf dem Weg durch den Parco alta Murgia. Wir wurden gewarnt: "wind is constant"- (na, immerhin nicht böig!) und es gäbe dort kein Wasser- wilde Hunde habe ich auch nicht entdeckt! Zwei Flaschen reichen aber bis Castel del Monte; das Castel ist schon von weithin sichtbar. 


13:30- Mittagszeit: Hier gibt es eine Verpflegungsstelle mit einem köstlichen Mittagsmenü. Endlich Pasta mit Tomaten, Käse....
Viele Randonneure versammeln sich hier um die hölzernen Tische im Schatten der Pinien.
Auf der weiteren Strecke bis Melfi wird es noch einmal richtig wellig und es gibt tatsächlich ein paar Regentropfen. Die Straßen könnten schmierig werden.
Später hörten wir von einem Sturz in einer dieser Abfahrten.

Dieser Streckenabschnitt ist sehr schön und ich kann die Landschaft genießen.
Der kurze dritte Tag, der "lange" Schlaf, haben mir offensichtlich Kraft zurückgegeben. Heute lief es gut, obwohl wir den ganzen Tag Gegenwind hatten.
Vor Melfi schon konnte man die Berge sehen, in die wir morgen fahren würden und ich freute mich darauf.  
Die Königsetappe würde uns am 5. Tag bevorstehen:
306 km mit 5466 Hm mit dem "Cima Coppi", also dem höchsten Punkt (1472) der Tour und einigen weiteren Pässen über 1000 m.

Doch vorher muss ich noch die Ankunft in Melfi erwähnen.
Applaus! Die gesamte Crew empfängt jeden Fahrer mit Applaus, der es bis hierher (1105 km) geschafft hat. Ein schönes Gefühl. Jeder bekommt einen Helfer zur Seite gestellt, der alle Wünsche erfüllen möchte- zeigt die Duschen, Schlafplätze etc.
Ich habe einen Wunsch: "ich brauche einen Rasierer", denn mein Bart ist inzwischen 4 Tage alt. Da sie hier keinen haben, geht mein "Helfer" extra in die Stadt und kauft mir einen, inclusive Schaum. Ich bin begeistert.
Ich dusche ausgiebig- lasse mir mit Allem Zeit, denn es ist noch früh am Abend.
Auch gönne ich mir eine Massage, die hier angeboten wird.
So sieht ein Ruhetag während eines Super- Brevets aus.
Später treffe ich dann Volker beim Abendessen- Risotto mit einigen Beilagen.
Das "Bett" ist schon gemacht- doch es ist noch nicht mal 22 Uhr- ich setze mich noch, etwas abseits vom Trubel, vor die Turnhalle und genieße den Abend und telefoniere in die Heimat.
Kein Smartphone habe ich mit, kein Foto, kein whattsapp, kein e-mail nutze ich unterwegs und nur wenige haben meine Nummer. Und das ist gut so.


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