Prolog:
HolyGravel ist ein Cross-Brevet.
Neudeutsch nennt man diese Art der Veranstaltungen "Gravel" , wie auch der Eifel-Graveller, obwohl da nur anteilig etwas Gravel (=Schotter) drin ist.
Passender finde ich den Begriff "Cross-Brevet" den wir vor Jahren prägten; eine Langstrecke, die mit geländegängigen Rädern gefahren werden kann.
Das ist auch passender zum Track, der doch viele, teilweise technisch anspruchsvolle Single-Trails enthält.
Die erste Hälfte der kürzeren Strecke führt größtenteils auf dem Fernwanderweg E1, die mir ja gut bekannt ist und sie führt nach ca. 200 km durch Eutin, wo ich zu Hause bin. So war ich beim ersten Holygravel, am 1.11.2019, dem kältesten Tag des Winters 19/20 hier geplant ausgestiegen.
Im Dunkeln durch den Wald wollte ich nie wieder crossen, nachdem ich mir bei einem 24 h MTB - Rennen die Schulter verletzt hatte. 2019 war ich auch prompt gestürzt, kurz nachdem es dunkel wurde- zum Glück ohne Folgen.
Bei 16,5 h Tageslicht jetzt zu Pfingsten würde eine Fahrt im Dunkeln zumindest am ersten Tag nicht notwendig. In der zweiten Nacht wollten Klaus und ich sheltern, oder mal sehen, vielleicht, entgegen meiner Vorsätze, auch durchfahren.
Dafür würde ich auf jeden Fall gutes Dynamo- Licht benötigen. Doch es kam dann etwas anders: das Laufrad wurde nicht rechtzeitig fertig, weil ich die Speichenlänge falsch berechnet hatte. Außerdem musste Klaus am Samstag zur Impfung und somit würde für ihn der weitere Verlauf fraglich.
Ohne vernünftiges Licht würde ich auf gar keinen Fall nachts fahren- so viel stand fest. Mit Tageslicht also bis gegen 21:30 würden wir auch nicht all zu weit kommen, wenn wir erst gegen Mittag nach dem Impftermin starten.
Oft hört man die Profis sagen "Ich schaue von Tag zu Tag"- und so wollte ich es dann auch halten und machte mir keinen Plan ins Ziel zu fahren.
Überhaupt gab es ja Corona bedingt keinen Massenstart- jeder startet wann und wo er will und ob überhaupt ist auch eine Option, wenn die Wetterprognosen ungünstig sind. Und das waren sie- für das gesamte Pfingstwochenende vorhergesagt.
Klaus und ich verkündeten unseren Start für Freitag um 08:00 Uhr am HBF in Hamburg .
So ähnlich sollte die ursprüngliche Startzeit für den Massenstart sein und wir erhofften damit, doch einige andere Fahrer zu treffen und möglicherweise ab der Grenze zu Schleswig - Holstein eine Gruppe zu finden.
Man solle Fotos schicken zur Kontrolle (?).
Das Ziel ist am Bismarckstein in Hamburg Blankenese. Genießt die letzte
Auffahrt und macht oben ein schönes Foto von euch, von der Aussicht, vom
Stein oder von eurem Rad – am besten alles zusammen.
Auf jeden Fall
möchten wir auch Fotos von Euch beim Überqueren des Nord-Ostsee-Kanals
auf der Hochbrücke in Kiel und von der Fähre. Und am Strand und
überhaupt Fotos und Geschichten. Bei Insta, Facebook, Spotwalla, WhatsApp und natürlich auf Strava #holygravel
Warum nicht, da wo es schön ist, einfach bleiben und dies in den sozialen Medien kundtun.
Wir fanden es am Bahnhof nicht so schön und starteten zunächst neutralisiert in Richtung Entenwerder, wo Bernd und Knut mit der Startnummer 666 und einem Obstler auf uns warteten. Das war nett und mit Abstand verabschiedeten sie uns auf die Strecke.
Day 1
Ich hatte richtig Lust zu fahren und so fuhren wir zügig der Sonne entgegen auf bekannten Wegen. Ja, die Sonne war tatsächlich zu sehen ganz entgegen den Wetterprognosen. Gegen 11 Uhr fing es dann dann auch an zu schütten. Recht kräftig, so dass die Wege gleich überflutet und wir komplett durchnässt waren. Ich hatte sogar Regenklamotten dabei, die hielten zwar nicht trocken aber warm. Und so ließen wir uns nicht aufhalten- hielten nur einmal bei Lars und Britta, die wir beim Fischbrötchen- Brevet kennengelernt. Sie hatten sich in einem Carport untergestellt. Es war ihre erste mehrtägige Gravel-Tour. Jetzt bei den schlammigen Wegen sahen wir immer wieder Spuren von Fahrern vor uns- das motivierte zusätzlich das Tempo etwas zu erhöhen. Durch meine Brille konnte ich bald nichts mehr sehen- steckte diese ins Trikot, bevor wir an den Wurzel-Trail im Hellbachtal kamen. So oder so blind crossten wir über die nassen verschlammten Wurzel und auch das machte Spaß. Kurz dahinter überholten wir weitere 3 Fahrer, die , wie wir auch in Mölln, bei km 90, pausieren wollten.
K1 - Bäcker in Mölln - Fr 12:30 |
Kaffee und Kuchen im Doppelpack und ca. 25 Minuten später waren wir wieder
auf dem E1- Ratzeburg, dann entlang des Sees zum Drägerweg und Wakenitz. Bevor wir die letzte Siedlung Lübecks 2 h später wieder verließen, füllte ich meine Flasche in einem Döner-Laden auf, weil ich das in Mölln vergessen hatte. Das ging schnell, denn wir wollten uns nicht jetzt schon wieder aufhalten so kurz vor dem Herrentunnel. Obwohl wir wie die Wildschweine aussahen, waren sie hier sehr freundlich und hilfsbereit. Seit Mölln hatte es keinen Regen mehr gegeben und es sollte bis ins Ziel trocken bleiben. Inzwischen waren wir auch trocken gefahren- nur die Füße blieben nass. Immer noch machte es Spaß über die Trails zu brettern.K2 - Shuttelbus am Herrentunnel 15:17 |
Eine zweite Pause machten wir dann in Ratekau (km150) an einer Eisdiele gegen 16:00. Wir hatten es nicht eilig weiter zu fahren, bis 2 Graveller an uns vorbeifuhren. Ganz unbewusst und ohne uns abzusprechen saßen wir alsbald auf den Rädern. Nun hatten wir wieder Spuren vor uns..Huui! Kurz vor der kleinen Brücke über die Schwartau hatten wir sie dann überholt.
In Neustadt habe ich leider das Kontrollfoto vergessen, obwohl es garade hier in Oevelgönne, so kurz vor Eutin, nicht einfach war noch einmal in Richtung Osten abzubiegen.
K4 - Liebestempel Eutin 18:51 |
Der Liebestempel wurde nun nicht, wie empfohlen, zu meinem Shelter.
Nach 200 km konnte ich zu meinem nahe gelegenen Zuhause fahren
Daylight- Finish #1
Day 2
10:15 hatte Klaus seinen Impftermin. So konnte ich noch in Ruhe in der Sonne auf der Terasse frühstücken.
Im Sommer 2012 konnte ich von hier aus auf das FLXHH- Nachtlager blicken.
Die Sonne schien, so ,wie sie es ja auch gestern morgen schon gemacht hatte. Es schien, als ob ein weiterer perfekter Tag auf dem Rad begann. Doch der Schein trügte, denn die Wetter- App prophezeite eher herbstliches Wetter mit Sturm und Regen.
K5 - Sa 10:36 Eutin Stadtbucht |
Nach ca 15 h Pause startete ich erneut an der kleinen Meerjungfrau Eutiner See.
Erholungsprüfung "gut" verkündete Angelas Garmin, die mich bis Malente auf ihrer Trainingsrunde begleiten wollte. Meine Beine fühlten sich auch gut an. Würde ich den "Guten Flug" am Kellersee heute fahren können?
An meinem Rad hatte ich heute eine Gepäcktasche mit Schlafsack und Wechselklamotten, wasserdicht verpackt. Daran lag es nicht, dass ich absteigen musste- die Chance ist 50/50 und ist meistens eine Frage der Konzentration.
In Malente am Bahnhof verabschiedeten wir uns und ich begrüßte Klaus, der pünktlich auf dem Parkplatz stand, als es anfing zu regnen. Wir stellten uns unter und hatten es nicht so eilig weiter zu fahren. Der Dauerregen begann und es wurde nur zeitweise etwas trockener. In Plön schon sprach ich vom Kaffeetrinken- ich war etwas müde. Doch Klaus wollte alsbald keine Pause machen- vielleicht in Kiel. Naagut! Doch dann hatte Klaus in Preetz schon einen Platten und ich meinen Kaffee, da ganz in der Nähe ein EDEKA geöffnet hatte. Der Wind war kalt, deshalb stellte ich mich mit dem Kaffee in die Bankfiliale und schaute beim Flicken zu. Entlang der Schwentine machte das Fahren dann auch gleich wieder Spaß, bis wieder einmal abrupt zum Stillstand kamen. Klaus saß in einer Wildschwein- Kuhle und schüttelte sich. Vor einer stark verwurzelten Abfahrt hatte ich gezögert und ihn damit ausgebremst. Klaus nahm dann den Umweg über eine kleine Anhöhe mit noch steilerer Abfahrt und stieg über den Lenker ab, konnte jedoch nicht auf den Füßen bleiben.....
Er zog sich bei der Landung eine Rippenprellung zu, die wohl sehr schmerzhaft war.
K6 - Bülk 16:45 |
Leuchtturm in Bülk. Kurz vorher hielten wir noch an einem Kiosk für einen zweiten Kaffee am Strand.
Nach dem Foto und anschließendem Hochladen bei Insta musste ich aufholen, denn Klaus war "langsam" vor gefahren. Es machte Spaß mit Vollgas durch die überfluteten, schlammigen Trails zu brettern. Es dauerte, bis ich Klaus einholte- kurz bevor der Track an der Steilküste entlang auf den verwurzelten Trail führt. Dieser Abschnitt ist im Trockenen schon anspruchsvoll.
Manchmal mussten wir absteigen. Klaus hatte dabei wohl arge Schmerzen und konnte nicht im Stehen fahren. Ich musste immer wieder mal warten.
Am Campingplatz bei Suhrendorf öffneten sich die Wolken nun vollständig. Alle Straßen, Wege waren überflutet. Später landeten wir im Sand- denn der Track führte über steile Treppen hinauf. Wir sahen ein, dass wir am Strand nicht weiter kamen und schleppten die Räder die Treppen hoch- das hat Klaus dann wohl den Rest gegeben, denn in Jellenbek verkündete er seine Rückfahrt zum Bahnhof Kiel.
(17:46)
Und ich überlegte, bis zu welchem Bahnhof ich wohl fahren könnte.
An ein Übernachten draußen, war gar nicht zu denken. Bis Felde wollten wir eigentlich fahren- dort in den Zug steigen und am Sonntag dort wieder einsteigen. Das wären ca 230 km geworden heute und am Sonntag wäre dann "nur" noch ein Rest von 170 km. Doch es gab da noch den Bahnhof in Rendsburg der nicht weit entfernt vom Track lag und Eckernförde, wo ich bald hinkommen sollte. Ich rechnete und insbesondere, als mir auffiel, dass ich gar kein Rücklicht dabei hatte, überlegte ich ernsthaft, wie weit ich es heute im Hellen würde schaffen können. Die Hüttener Berge wollte ich schon noch hinter mich bringen- sonst würde die Strecke am Sonntag echt lang.
Den Track von hier aus bis Eckernförde mit seinen Sand- und Tragepassagen kannte ich sehr wohl und hatte ihn nicht ohne Grund bei FLXHH rausgenommen.
Ab Eckernförde (18:45) lief es dann aber auch wieder besser und ich konnte hochrechnen, dass ich es wahrscheinlich im Hellen bis über den Aschberg, also dann bis zum Bahnhof Rendsburg schaffen würde.
Sonnenuntergang gegen 21:30- also in 3 h würde es dunkel sein.
Hinter Fleckeby begannen die Rampen, die ich oft nur im kleinsten Gang hochwürgen konnte. Meine Beine fühlten sich nun doch recht müde an- das Brettern war vorbei. Auch bergab musste ich nun vorsichtiger sein, weil meine Bremsklötze, die ich morgens erst gewechselt hatte, schon wieder starken Verschleiß zeigten. Ein Nachstellen zumindest hinten war wegen des Gepäckträgers nicht so schnell gemacht.
Ich hatte ja den Sonnenuntergang im Nacken.
K7- Heidberg 20:09 |
K8 Aschberg 20:45 |
Heidberg und Aschberg waren dann wieder bekannt durch den X- Weg.
Ich fürchtete schon den letzten Aufstieg, den ich sehr steil in Erinnerung hatte- doch heute ging es hier hinunter. Der Aufstieg auf Asphalt. Schon manches Mal habe ich nach langen Offroad- Strecken den Erfinder des Asphalts gepriesen.
Kurz vor 21 Uhr bin ich unten an der Straße und schaue auf die Uhr und auf den Zugfahrplan. In einer halben Stunde ist Sonnenuntergang und 21:51 fährt ein Zug Richtung Kiel. 14 km sagt Google- das ist machbar aber ich durfte nicht lange überlegen oder bummeln.
Ich entschied mich für die Hauptstraße mit Radweg. Die Beine waren leer.
So würde es noch knapp werden. Zum Glück kenne ich mich in Rendsburg gut aus und erreichte den Zug kurz vor Abfahrt.
Im Zug zog ich mir gleich die trockenen Klamotten an und mir wurde warm.
Nicht auszudenken, wenn ich noch eine Stunde hätte warten müssen.
daylight- finish #2
Zu Hause dann Badewanne, essen und den Giro den Zoncolan hochfahren lassen....
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