1001 Meile Italien 2010
Prolog:
Rüdiger wollte beim Super- Brevet seines Clubs helfen und so machte ich mich dieses Mal alleine auf den Weg nach Italien.
Für
einen Super- Brevet vor der Haustüre, der auch durch meine alte Heimat
NRW führt, fehlt mir die besondere Motivation, die man braucht, um so
eine Tour zu bestehen. So freute ich mich auf das gute Wetter und die
Schönheit der Städte und Landschaften in Italien.
Es gab wieder die
Möglichkeit am Startort zu zelten , doch blieb es dort erstaunlich
ruhig; lediglich ein Holländer, ein Franzose, Volker aus dem Kölner Raum
und ich nutzten diese Möglichkeit 50m vom Startort entfernt zu
übernachten- vielleicht lag es an den vielen Mosquitos.
An der Anmeldung in der Innenstadt lernte ich einige deutsche Teilnehmer kennen.
Gemeinsam
mit Volker fuhr ich dann noch ca. 10 km aus Nerviano hinaus- ein
bisschen warm fahren und die Ausfahrt kennen lernen, damit es nicht
gleich wieder nach dem Start Orientierungsprobleme gäbe.
2 h vor dem
Start treffe ich noch einmal die Berliner und wir beschließen einen
weiteren Kaffee in ihrem Hotel zu trinken. Das Rad davor abschließen
oder nicht??
Dann doch- ich habe ein kleines Kofferschloss dabei- es
hält zumindest einen ersten Zugriff stand. Als wir aus dem Hotel
herauskommen, verstehe ich zuerst gar nicht mein Rad liegt auf der
Straße, ein Italiener steht dabei und beteuert, er wäre es nicht
gewesen. Jetzt begreife ich langsam und sehe auch gleich das Malheur-
das Drahtseil des Schlosses hat sich mehrmals um die Nabe des
Hinterrades direkt zwischen Kassette und Speichen gewickelt. Es gelingt
uns, dieses vorsichtig zu entfernen- es bleibt ein Schlag im Hinterrad
und 4 angeknackste Speichen.
Kurz vor dem Start habe ich das Rad
wieder zentriert- es läuft gut- doch ein mulmiges Gefühl bleibt. Bei der
Startaufstellung treffe ich dann endlich auch Jens- wir wollen zusammen
relativ weit vorne starten.
meine erste Tagesetappe:
Nerviano- Chiuso della Verna
560km / 4200 Hm (davon 2000 hm auf den letzten 74 km) in ca. 30 h
21:10
Uhr: der Start erfolgt recht flott und schnell sind wir auch aus
Nerviano heraus. Ich kann es kaum glauben, was für ein Tempo hier gleich
zu Beginn gefahren wird- die 4 ist immer vorne- das Tempo liegt
zwischen 43 und 48 km/h!!
Einmal ist gar die 5 vorne. Dies ist nicht
das Tempo, welches ich fahren will, doch möchte ich versuchen vielleicht
bis zur ersten Kontrollstelle dran zu bleiben- muss ja nicht führen.
Jens hört schlimme Geräusche an seinem Hinterrad, die offensichtlich von
seinem Freilauf kommen.
Wir stoppen kurz und fahren dann zu zweit
weiter. Gut so- das Tempo der Gruppe war auf Dauer doch zu schnell für
mich. Aber auch Jens fährt mir noch etwas zu schnell. Zügig fahren wir
durch die Nacht und bald ist schon die 2. Kontrollstelle in Colorno
erreicht. Diese Mal müssen wir nicht lange suchen- es gibt eine
offizielle Verpflegungsstelle. Jens drängt zum Aufbruch- was hat er vor?
Um meine üblichen Tiefpunkt in der Nacht zu überwinden, hatte ich mich
mit einem konzentrierten Energiegetränk versorgt. Doch wenig später,
nachdem wir aus Colorno herausgefahren waren, passierte es wieder: die
Augen wollten einfach nicht offen bleiben!! Ich sah mich nach einem
geeigneten Platz um und es war wieder die gleiche Stadt, die gleichen
Bänke, wie 2008, die mich zum Schlafen einluden!?
Eine h Schlaf
reichte aus, um wach weiter zu fahren. Die Beine meldeten- das Tempo
(ca. 31km/h) war bisher viel zu hoch gewesen und so fuhr ich ruhig mein
Tempo weiter. Ich wusste, es würde noch eine Weile dauern, bis das erste
Cafe auftaucht. Die Strecke führt jetzt lange Zeit direkt auf einem
Deich des Pos entlang. Freue mich schon auf den Kaffee und da ist es
endlich- dasselbe Cafe, in dem ich 2008 auch mit Rüdiger gefrühstückt
hatte.
Inzwischen war es auch hell geworden und gut gelaunt startete
ich in den Tag. Es rollte gut- oft fuhr ich stundenlang im Unterlenker
für mich alleine geradeaus.
Parma und Bologna lasse ich links oder
rechts liegen. Es wird wärmer und irgendwann möchte ich ein Eis essen.
Zwei Deutsche sitzen schon vor dem Cafe und an einem anderen Tisch eine
Gruppe Italiener. Weil es so lecker ist, esse ich gleich noch ein
zweites Eis. Ein Gast erzählt, er kenne Lübeck und Travemünde, er habe
dort Musik in Cafes gemacht macht entsprechende Handbewegungen.
Dies
ist auch ein Grund dafür, dass ich im Ausland gerne unser Vereinstrikot
trage- ich bin dann gleich der "Hamburgo" und diese Stadt kennen fast
alle.
Die Gruppe der Italiener fährt los und ich will dies nutzen, um
schnell nach Faenza zu kommen. Ich kann es kaum erwarten endlich in den
Bergen zu fahren. Die Gruppe zieht mich tatsächlich mit über 30 km/h
voran, auch wenn ich meistens vorne bin. Alleine würde ich mindestens 5
km/h langsamer fahren. In Faenza, der Keramikstadt, gibt es Nudeln auf
Plastiktellern. Hier habe ich vor Jahren mal an einem Keramikwettbewerb
teilgenommen und die Keramiken eigens dazu hierher gefahren.
Nachdem
ich mit Toon aus Belgien "gemütlich" zu Mittag gegessen habe, verlasse
ich Faenza wieder gemeinsam mit den Italienern. An einer Stelle weicht
der Track wohl von der beschriebenen Route ab- ich folge den Italienern,
die sich auskennen bis mir eine Wespe ins offene Trikot fliegt und
gleich 3 mal zu sticht, bis ich sie endlich totschlagen kann- iiih!
Nachdem dies überstanden ist, stehe ich alleine da und weiß gerade nicht
wie es weiter geht. Ich sehe also zu, dass ich wieder auf den Track
komme. Es folgt der erste lange Anstieg. Von Faenza bis zur Passhöhe
sind es ca. 70 km. Höhenmeter, die erklommen werden, werden meistens
schnell wieder durch eine Abfahrt zunichte gemacht. Ein endlos
scheinendes Auf und Ab- war ich derjenige, der gerade noch die Berge
herbeigesehnt hatte!? Doch irgendwann ist es doch geschafft und in dem
Restaurant auf der Passhöhe gönne ich mir eine Cola und ein Stück
Kuchen. Dort hängt das berühmte Bild von Coppi und Bartali, wo sie Hand
in Hand über die Ziellinie fahren und ich erinnere mich in der
Routenbeschreibung gelesen zu haben, dass diese Szene sich hier auf dem
Pass abgespielt hat. Nach der Abfahrt treffe ich Bernd in der nächsten
Kontrollstelle. Hier gibt es Brote, die nach Wahl, mit Schinken, Salami,
Käse, belegt werden. Wenig später treffen auch Stefan und Ralf ein.
Bernd und ich wollen zusammen noch bis Chiuso della Verna fahren- dies
sollte das Ziel der ersten Tagesetappe sein. Ervin aus Kroatien schließt
sich uns an. Der nächste Anstieg sollte von diesen dreien der Schwerste
sein, doch dies empfinde ich gar nicht so- denn, obwohl der Anstieg
sehr steil ist, behalten wir hier jeden Höhenmeter, da es stetig und
relativ gleichmäßig bergan geht. Kurz vor dem Gipfel höre ich ein lautes
eindeutiges "Ping", ich weiß gleich, es ist eine Speiche gebrochen. Es
ist auf der Zahnkranzseite und ich habe weder Werkzeug, um die Kassette
zu entferne, noch eine Ersatzspeiche dabei. Doch Bernd hat und ein
Liegeradfahrer aus Bayern spendiert die passende Speiche dazu. Nach ca.
einer h Arbeit kann die Fahrt weiter gehen. Bald danach sind wir auch
schon im dritten und letzten Anstieg des Tages. Der Anstieg zum Kloster
ist nicht nur sehr steil sondern scheint auch endlos zu sein. Stunden,
so kommt es mir vor, klettern wir Meter für Meter, dabei helfen die
Schilder am Straßenrand, die alle 100m stehen, wenig. im Gegenteil.
Nach dem der Ort Chiuso erreicht ist, geht es noch einmal steil bergan
zum Kloster Eremo della Verna, dort sollen die Schlafplätze sein.
Endlich um 3. 19 Uhr erreichen Ervin und ich das Ziel- Bernd schien
einige 100m zurück. Wir stempeln und essen erst einmal und lassen uns
die Schlafplätze zeigen. Doch wo bleibt Bernd?? Inzwischen waren 20 min
vergangen und kein Bernd im Ziel. Er hatte wohl kurz unterhalb des
Klosters einen Platten und war dann zu Fuß weiter und verfehlte dann
auch noch das Ziel.
2. Tagesetappe
Chiuso della Verna- Bolsena
220 km / 2800 Hm in ca. 15 h
Das
Bett im Schlafsaal des Klosters war sehr komfortabel- ich schlafe ca.
2-3 h und starte wieder kurz nach 7 Uhr. Die Panne und die unerwartete
Härte der letzten Etappe hatten mich ca. 2 h gegenüber meinem Plan
gekostet. Ich empfand die gestrige Tagesetappe, als die schwerste, die
ich in meinem Leben gefahren bin.
Als ich losrollen will, kommen Ingo
und Klaus aus Berlin, die vor dem letzten Anstieg in einem Hotel
geschlafen hatten. Wir wollen erst einmal zusammen fahren und dieser
Vorsatz hält sich bis zum Ende des Tages. Wenn alles gut laufen würde,
wollte ich bis Montalcino durchfahren- ich wußte, dass würde nicht
einfach werden hatte es aber für machbar gehalten. Montalcino war
Bergankunft beim diesjährigen Giro, Vinokurov fuhr hier ins rosa Trikot-
ich selbst war auch schon zweimal bei der l eroica dort oben-
vielleicht hatte ich mir dieses Ziel deshalb in den Kopf gesetzt!?
Doch
die Schwere des letzten Tages steckte im Körper und forderte zu
wiederholten Pausen auf. In einer Stadt versorgten wir uns mit einem
Berg Obst und Käse, den wir komplett verspeisten. Auf der Passhöhe vor
Passignano muss man einfach stoppen.
Ein Eis mit Ausblick über den
lago di Trasimeno ! Dann die rasante Abfahrt- Huui! In Passignano gibt"s
Dusche und frische Klamotten aus der eigenen Tasche, die hierher
transportiert wurde. Ich drücke etwas aufs Tempo- h Pause ist
angesagt- die beiden sind einverstanden. Ich denke, es wird langsam
knapp, wenn ich bis Montalcino fahren will. Kurz vor Todi treffen wir
auf Bernd, der wohl Probleme hat!? Er kommt uns entgegen? In Todi will
ich eigentlich gleich weiter aber als ich erst einmal sitze und sehe,
wie die anderen Pizza bestellen, werde ich schwach. Mein Körper braucht
jetzt auch etwas, was ich ihm eigentlich nicht gönnen wollte. Beim
zweiten Stück Pizza, die Füße liegen hoch, wird mir auch langsam
bewusst, dass mein Ziel für heute viel zu hoch gesteckt ist und ich
passe es meinen Mitstreitern an. Pomonte heißt jetzt das Ziel. Nachdem
wir wieder eine Weile gefahren sind, wir uns mit Licht und Leuchtweste
für die Nacht gerüstet haben, spüre ich doch eine Enttäuschung darüber,
dass ich Montalcino aufstecken musste. Dies demotiviert mich sogar
dermaßen, dass ich über einen möglichen Schlafstopp "schon" in Bolsena
nachdenke, also 150 km vor der " Bergankunft". Ich habe auch die Worte
des Holländers, der jetzt mit uns fährt, im Ohr, " wenn wir heute bis
Pomonte fahren, können wir morgen abend vielleicht in Montecatini sein.
Plötzlich ändere ich meine Pläne komplett: Ich fahre "nur" bis Bolsena,
schlafe dort 6 h und hole morgen dann ausgeschlafen alles wieder rein-
mindestens bis Montecatini oder vielleicht sogar die ganze Nacht durch
wollte ich dann fahren. Es ist beschlossen. Ingo will auch in Bolsena
schlafen, Klaus fährt mit dem Holländer noch bis Pomonte. Die
Kontrollstelle ist in einem Restaurant direkt am lago di Bolsena ist
wunderschön gelegen. Es gibt gutes Essen und dazu ein Glas roten Wein.
Wir schlafen in einem Zelt, das zu diesem Zeitpunkt noch fast leer ist.
Die Schlafstätte ist einfach und ich bin froh, dass ich meine
selbstaufblasende Matte und den Schlafsack dabei habe.
3. Tagesetappe
Bolsena- Montecatini
370 km / 5300 Hm in ca.- 22 h
Als
ich aufwache ist das Zelt komplett voll und Ingo schon weg. Ich trinke
einen Kaffee und rolle gemeinsam mit Ervin los. Noch im Dunkel erreichen
wir Pittigliano, wo ich die Kontrollstelle an der gleichen Stelle wie
2008 suche.... ich glaube ich brauche einen Kaffee- die nächste
Kontrolle ist doch erst in Pomonte!? Bis dahin ist ein Berg zu
überwinden- ich gönne mir allerdings zwei, dem Track und nicht den
Pfeilen folgend, und eine Abfahrt mit über 20% auf Betonplatten!! Aua!
Einige
Kilometer vor Pomonte komme ich wieder auf den rechten Weg und dort
erwartet mich das beste Frühstück meines Lebens und natürlich auch
Kaffee.
Die Engländer am Tisch sind sich noch nicht sicher, ob Tee
nicht besser wäre und ob sie die Schotterstrecke der l eroica fahren
werden. Für mich steht fest, dass ich wegen der angeknacksten Speichen
die Ausweichstrecke fahren werde.
Irgendwann nach zahlreichen kleinen
aber durchaus heftigen Anstiegen und einer kleinen teilweise
geschotterten Straße durch ein Flussbett wartet der lang ersehnte
Anstieg nach Montalcino. Zuvor erfrische ich mich noch in einem
Restaurant mit Cola und kaltem Wasser. Der Anstieg ist lang und steil-
doch ich fahre munter bergan- MONTALCINO. Etwas nerven die
Motorradfahrer die hier mit einem Affentempo durch die Kurven rasen.
Oben angekommen rätsele ich zusammen mit anderen Fahrern, wo denn nun
die Kontrolle wäre. Wir suchen den piazza del poppulo und lernen dabei
einen wunderschönen Ort kennen, der auf diesem Einzelberg gelegen einen
einzigartigen Ausblick auf die toscanische Landschaft bietet. Auf dem
piazza del poppulo warten zwei Uniformierte mit Stempel und Wasser auf
uns. Im Schatten der Arkaden ist es kühl, doch ich halte mich hier nicht
lange auf und schlängele mich durch die Touristenströme hinaus und
hinab die rauschende Abfahrt. Die Etappe bis Castelnuovo Beradenga ist
relativ kurz und auch die Höhenmeter sind kaum erwähnenswert. Nach der
Abfahrt noch ein kurzes Stück und es gibt die Wahlmöglichkeit auf ein 15
km langes Teilstück der l eroica zu fahren. Es wäre für mich nun zum
vierten Mal gewesen- doch in erster Linie halten mich die Speichen des
Hinterrades davon ab. Es ist heiß geworden und ich etwas müde und
hungrig.
Doch weit ist es nicht mehr bis Castelnuovo B. Vor mir ein
Japaner, den ich gerne noch vorher einholen möchte. Ich trete also an
einer kleinen Steigung einen etwas zu großen Gang im Stehen und es macht
zum zweiten Mal "Ping". Gleichzeitig bemerke ich, dass auch die Luft
aus dem Hinterrad entweicht. Kein Schatten!- ich schaue mir den Schaden
an und bin, ehrlich gesagt, ziemlich bedient. Doch schon bald naht
Rettung in Form eines Seattle Randonneurs. "Everything ok?"- "No!" Er
hält und gibt mir eine kleine Dose mit einer Ersatzspeiche mit dem
Worten: "read the instruction -read the instruction" und ist schon
wieder weiter. Klasse. Ich freue mich über so viel Hilfsbereitschaft- er
selbst könnte doch auch einen Speichenbruch bekommen.
Doch ohne
Werkzeug, um die Kassette zu entfernen, komme ich noch nicht weiter. Ich
versuche mit Messer und einem Stein den Rest Speiche zu brechen und zu
entfernen. Es gelingt mir nicht bis zwei Engländer vorbeifahren: "Are
you allright?"- "No!" ..und da sind sie auch schon vorbei gerauscht.
Doch der Engländer kommt zurück und hilft mir so lange, bis wir
gemeinsam das Problem gelöst haben.
Da er auch kein passendes Werkzeug dabei hatte, half seine Kreativität.
Bis
zur Kontrollstelle waren es tatsächlich nur noch 6 km. Dort gab es ein
reichhaltiges Büfett mit Obst, Gemüse, Schinken, Salami, Brot, Nudeln
und so weiter.
Auch die l eroica stoppt hier zum letzten Mal vor
Gaiole und auch hier gab es Festtagsmenü für Radfahrer, so dass ich mich
hier jedes Mal schwer trennen konnte.
Hier gab es auch zum zweiten
Mal die Tasche; das heisst Dusche und frisches Trikot. Ganz so lange
hielt ich mich dieses Mal nicht in diesem gastlichen Ort auf, denn ich
wollte noch im Hellen den Anstieg nach Castellina meistern. Gemeinsam
mit den beiden Engländern rollten wir los und ich überlegte, ob ich
ihnen, die sich, wenn es dunkel würde, ein Hotel suchen wollten, in
Castellina für die großzügige Hilfe einen Kaffee ausgeben sollte. Doch
am Anstieg hab ich sie dann irgendwo verloren.
Den Anstieg hatte ich
von 2008 viel schwerer in Erinnerung- vielleicht war es aber auch die
nun leicht aufkommende Euphorie, die mich den Anstieg "hochfliegen"
ließ.
(oder der Energydrink, den ich in meiner Tasche gefunden hatte)
Es
wurde auch kühler und vielleicht war es auch die Vorfreude auf die
Nacht, die ich durchfahren wollte, dass ich gar nicht wie geplant in
Castellina anhielt zum Kaffeetrinken. Es folgt eine lange steile
Abfahrt, die ich leider nicht hinunterbrettern konnte, denn die
Behelfsspeiche aus einem Kevlartau ließ sich nicht so stark spannen,
dass das Rad völlig rund lief. Ich fuhr also mit offener Hinterradbremse
und traute mich nicht mehr als 40 km/h. Das bedeutete aber auch
häufiges und kräftiges Bremsen vorne. Es lief. Also weiter. Später
könnte ich einen Radladen aufsuchen und das Hinterrad reparieren lassen.
Ein oder zwei Orte weiter hielt ich dann doch noch für ein Eis und
einen Kaffee. Viele Menschen standen hier vorwiegend vor dem Cafe und
auf der Straße- redeten viel und laut und kümmerten sich nicht um den
Radfahrer mit Licht am Helm. Noch schnell eine SMS in die Heimat- quasi
als Urlaubsgruß. Dann wurde es richtig Nacht und ich genoss diese in
vollen Zügen.
Ganz allein fuhr ich stundenlang nur begleitet von den
Grillen mit immer wieder neuen Geräuschen. Dann auch mal ein Nachtvogel,
der sein Lied anstimmte.
Ein letzter Anstieg vor Montaione, der letzte auch bis Montecatini.
Normalerweise fahre ich nicht so gerne in der Nacht- doch hier ist die Nacht lauwarm, der Mond scheint helle .
Die
Kontrollstelle in Montaione, zu der ich um Mitternacht ankomme, ist
eher einfach, die Gastgeber schon sehr übermüdet. Ich halte mich also
nicht lange auf und fahre auf jeden Fall noch bis Montecatini. Dieses
Teilstück ist eher flach. Es gibt Hauptstraßen, die natürlich um diese
Zeit völlig leer sind. Es zieht sich noch eine ganze Weile bis ich dort
ankomme. Hier ist eine große Turnhalle, hier ließe es sich gut schlafen.
Als ich meine Matte ausgerollt hatte, sehe ich Stefan, der wohl auch
noch nicht so lange dort ist. Ingo und Klaus, meint er, haben sich
vorher ein Zimmer genommen. Ich habe also mein Tagesziel erreicht. Bevor
ich mich schlafen lege sehe ich noch Volker und den Holländer (Ruud?)
vom Zeltplatz, die gerade aufbrechen wollen.
4. Tagesetappe
Montecatini- Casella Ligure
286 km / ( ) Hm in ca. 22 h
So
um 7 Uhr herum, wollten Stefan, Ralf und ich aufbrechen. Ich hatte für
heute keinen festen Plan- wusste nur, dass diese Tagesetappe, laut
Höhenprofil, versprach schwer zu werden. Die Strecke bis Aulla war
bekannt- eine lange Talfahrt hinauf nach Castelnuovo Gerafagna- dort
durch den Ort, durch die Menschenmengen kämpfen und dann begann der
Anstieg zum Pass. Aber zunächst mussten wir Montecatini hinter uns
lassen. Drei Fahrer und drei verschiedene Tracks sollten uns zunächst
trennen, doch es gab nur einen Weg durchs Tal, auf dem wir uns dann
schnell wiederfanden. Ganz leicht bergan führte die Strecke- genau das
richtige für Norddeutsche Rolleure. Der Bergfahrer aus Berlin fällt
zurück und Stefan kauft noch etwas in einer Apotheke. Ich wollte zügig
durchfahren bis zu dem bekannten Fahrradladen. 9 Uhr stand auf dem
Schild, würde dieser öffnen. Ich wartete 20 min und beschloss dann
weiter zu fahren. Die Speichen würden hoffentlich halten.
Wir trafen
uns wieder in Castelnuovo G. im Cafe- dort saßen auch schon einige Dänen
um Peter Aerts. Gegenüber gab es einen Supermarkt und günstige Bananen,
Getränke. Den Radladen am Ende des Ortes hab ich nicht gefunden und
schon bald waren Ralf und ich im Anstieg zum Pass. Ein paar Regenschauer
und Schokoladenstücke, die als Belohnung nicht bis oben hielten,
später, dann die lange Abfahrt nach Aulla. Ein Selbstbedienungsstempel
lag am Eingang zur Tankstelle. Meine Frage nach einem Radladen wurde
nicht verstanden und ich wollte auch hier keine Zeit mit Umwegen und
Warten verlieren. Wenn das Hinterrad bis hierher gehalten hatte, sollte
es, hoffentlich, auch bis zum Schluss halten. Ich habe mir dann auch
keine Gedanken mehr über eine Reparatur gemacht. Lediglich das langsame
Abfahren ärgerte mich ein wenig, da ich schnelle Abfahrten liebe.
Da
Ralf pausieren wollte, machte ich mich also alleine auf den Weg, der
über einen Pass zum Mittelmeer führen sollte. Herrlicher Ausblick, als
dieser endlich erreicht ist und eine lange Abfahrt hinunter.
Zwischendurch stoppe ich vor einer Kurve, um meiner linken Hand, die vom
Bremsen schon müde wird, eine Pause zu gönnen. Die Felge ist auch schon
ziemlich heiß und ich will nichts riskieren.
Unten im Küstenort
angekommen, esse ich mal wieder ein MOTTA-Eis vor einem Cafe- hier
sitzen auch andere Randonneure. Kaum einer redet- alle wollen
anscheinend nur ausruhen. Darauf folgt ein langer Anstieg, etwa 500Hm,
wieder hinauf, damit wir anschließend nach Deiva Marina fahren- der Ort
liegt dann wieder am Meer. Leicht und euphorisch fahre ich bergauf. Ich
denke es liegt daran, dass man hier ständig neue, großartige Ausblicke
auf das Meer genießen kann. Auf etwa halber Höhe, biege ich einem
Straßenschild folgend links ab- ich wundere mich nur ein bisschen, dass
dies schon die 500Hm gewesen sein sollen. Erst als die Abfahrt, viel
tiefer hinab geht, als es das Höhenprofil zeigt, merke ich, dass ich
verkehrt bin.
Unten, auf Meereshöhe angekommen, drehe ich einfach um.
Was sollte ich sonst auch machen- meiner Euphorie fügte es keinen
Schaden zu. Im Gegenteil- ich legte noch etwas an Tempo zu. Als ich
endlich wieder auf dem Track bin, dem ich einfach nur hätte folgen
müssen (!?), geht es dann noch einmal etwa 200-300 Hm nach oben.
Stefan
überhole ich an einer Quelle- er war kurz vorm "Verdursten". Ich will
mich jetzt nicht mehr überholen lassen und lege noch etwas an Tempo zu.
Endlich
bin ich dann in Deiva Marina. Schön, dass die Mille Miglia jetzt nur
noch zwei weitere schwere Pässe hat. Das Abendessen wird am Tisch
serviert. Stefan und Ralf kommen und gemeinsam wollen wir nach einer
etwas längeren Pause in oder durch die Nacht fahren. Der nächste Anstieg
hinauf zur Passhöhe ist nicht so schwer- dafür lang. Oben angekommen
fallen mir die Augen zu, da hilft auch nicht der Kaffee, den wir noch
gemeinsam oben trinken- war es das mit der Nachtfahrt? Gemeinsam mit
einem Franzosen, der beim Anstieg schon Schlangenlinie fuhr, legte ich
mich auf eine Wiese. Als ich um Mitternacht aufwache, ist der Franzose
schon weg und der Wind kräftig und frisch. Ich beschließe also auch
weiter zu fahren. Ich habe keine Ahnung, was mich streckenmäßig nun
erwartet und bin ziemlich überrascht, dass es wieder mal zur Küste
hinunter geht nach Sestri Levante, einem großen Badeort.
Ich verlasse den Track, um direkt an der Küstenpromenade entlang zu fahren.
Es
muss so zwischen 1 und 2 Uhr gewesen sein- nur noch wenige Menschen
treffe ich unterwegs und ich genieße diese Nachtfahrt- der Mond scheint
helle auf ein Haus am Meer, .
Irgendwann führt die Strecke wieder vom
Meer weg- ein letzter Pass ist zu überwinden. Lange geht es nur leicht
bergan durch Orte, in denen kaum noch Menschen unterwegs sind. Die
Häuser werden weniger, dafür wird das Tal langsam enger, die Straße
langsam steiler. Irgendwann halte ich einfach mitten in der Natur an.
Dadurch wird der Anstieg nicht kürzer- war wohl auch keine bewusste
Entscheidung (!?) zu stoppen. Ich lehne mich gegen einen Kilometerstein
und versuche die Augen zu schließen- doch Insekten halten mich davon ab.
Also weiter- und irgendwann ist auch dieser Pass erreicht. Ich
durchfahre noch einen langen, zum Glück beleuchteten Tunnel und dann
folgt eine längere Abfahrt bis Casella ligure. Hier ist die vorletzte
Kontrollstelle bis zum Ziel. Diese will sich nicht gleich zeigen- ich
denke es ist die Müdigkeit. Dort angekommen beschließe ich zu schlafen.
Bis
Nerviano ist die Strecke, bis auf den kleinen Berg, auf dem sich das
Mausoleo Fausto Coppi befindet, flach. Diese würde ich einfach in einem
Stück, ausgeschlafen abradeln und, wenn nichts dazwischen käme, meine
Zeit von 2008 leicht unterbieten.
meine 5. und letzte Etappe
Casella- Nerviano
Als
ich diese etwas merkwürdige Schlafstätte verlasse und wieder zum
Frühstücken zur Kontrollstelle gehe, treffe ich Stefan wieder einmal,
der gerade ankommt.
Er und Ralf hatten sich in Sestri Levante in den
Vorraum einer Bank (EC-Hotel), wie manche Randonneure es hierzulande
manchmal, wegen Kälte und Nässe machen, zum Schlafen gelegt.
In einem Supermarkt kaufe ich Cola und einen Energydrink für den letzten "Ritt".
Auf dem Weg zum Mausoleo Fausto Coppi verfahre ich mich leider noch einmal- doch was sind bei so einer Strecke schon 15 km?
Kurz,
etwa 120 flache Kilometer, vor dem Ziel kann ich auch dieses Mal, diese
ehrwürdige Stätte nicht genießen und will einfach nur schnell weiter.
Ich treffe Klaus und Ingo hier und einen Italiener der das HBKH- Finishertrikot trägt.
Instinktiv
begrüße ich ihn mit einem "Moin". Viel mehr Worte finde ich auch nicht
mehr. Ich will jetzt endlich ins Ziel. Erstaunlich, wie viel von dieser
letzten Strecke bis Nerviano, von 2008 noch in Erinnerung geblieben ist.
Mir gefällt es jetzt im völlig flachen Terrain durch die fruchtbare
Poebene zu fahren: Zwiebel- und Knoblauchfelder, die mit Kopfsteinen
bestückte Brücke über den Po und später auch die Pontonbrücke, die wir
überfahren. Ungefähr in der Mitte halte ich kurz um ein Eis zu essen. Es
ist recht heiß geworden und ich genieße ein wenig die Sonne, vor dem
Cafe sitzend.
Kurz nach 16 Uhr erreiche ich dann nach 115h 12 min den Sportplatz in Nerviano.
Geschafft.
Ich treffe meinen Neffen Peter, und wir verabreden uns, um im Hotel der Berliner später am Pool ein Bier zu trinken.
Erlebte Abenteuer werden noch ausgetauscht, bevor sich Müdigkeit breit macht.
Ein schöner Abschluss.
Frage an den aufmerksamen Leser: Wie viele Eis habe ich unterwegs gegessen?
Gerald "Motta" Heiß
Donnerstag, 2. September 2010
1001 Mille Miglia 2010
Labels:
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